In jedem Gebiet gibt es Orte, die Schauplatz von Kämpfen in den beiden Weltkriegen waren. Diese Orte zeugen noch heute von dem Kriegsgeschehen und halten die Erinnerung an die Erlebnisse der beteiligten Soldaten wach. Damit jeder Besucher diese Erinnerungsorte auf seine eigene Weise erkunden kann, kommen zu den regionalen „Wegen der Erinnerung“ nun auch lokale Wanderrouten hinzu. Jede Tour wurde thematisch angelegt, wobei mehrere Etappen miteinander verbunden wurden. Die Rundwege können über einen kleinen, illustrierten Geschichtsführer mithilfe eines mobilen Datenterminals abgerufen oder direkt aufs Handy heruntergeladen werden. So werden dem Besucher eine Region und ihr geschichtliches Erbe auf originelle Weise vermittelt und die menschliche Tragweite der Konflikte deutlich gemacht.
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Im 17. Jahrhundert errichtete ein Maler aus Ablain-Saint-Nazaire ein Gebetshaus auf der Lorettohöhe, um der Jungfrau Maria für seine Genesung nach dem Besuch der Pilgerstätte Loreto in Italien zu danken. Nach der Zerstörung während der Revolution als Kapelle wiederaufgebaut, hielt das Gebetshaus den Bomben von 1914 und 1915 nicht stand.
Ab dem 5. Oktober 1914 besetzten deutsche Truppen den Höhenzug von Notre-Dame-de-Lorette. Diese bis zu 165 Meter hohe natürliche Erhebung war von großer strategischer Bedeutung: Vom Berg Givenchy aus, der sich in der Verlängerung des Höhenzuges von Vimy befindet, konnte der Sektor um Arras herum beherrscht und gleichzeitig der Zugang zum Kohlerevier blockiert werden. Vom Dorf Souchez aus, ebenfalls von der deutschen Armee besetzt, wurde der Talzugang gesperrt. Von Oktober 1914 bis Ende 1915 wurde die Lorettohöhe Schauplatz heftiger Kämpfe. Die Verluste werden auf 100.000 Mann geschätzt.
Notre-Dame-de-Lorette besitzt heute den größten nationalen Militärfriedhof. Mehr als 40.000 französische Gefallene wurden hier beigesetzt, darunter 22.000 unbekannte Soldaten. Die sterblichen Überreste stammen von über 150 Frontfriedhöfen aus dem Artois, aus Flandern, aus der Yser-Ebene sowie von der belgischen Küste. Auf dem Gelände des Nationalfriedhofs begannen 1921 unter der Führung von Eugène Julien, Bischof von Arras, die Bauarbeiten an einer Basilika im römisch-byzantinischen Stil. Die Basilika, ebenso wie der 52 m hohe „Laternenturm“ (Tour Laterne), sind Werke des aus Lille stammenden Architekten Louis-Marie Cordonnier. Das Leuchtfeuer des „Laternenturms“ steht für die Flamme der Erinnerung.
Photos credits: P. Frutier / Archives Départementales du Pas-de-Calais
Das Dorf Souchez wurde im Oktober 1914 von deutschen Truppen eingenommen und blieb fast ein Jahr lang in ihrer Hand. Am 25. September 1915 eroberten Franzosen den Marktflecken endgültig zurück. Am Ende des Krieges war der Ort vollständig verwüstet. Die Aufräumarbeiten begannen 1919, die Aufgabe war gewaltig. Im November 1921 wohnten in der Gemeinde erst 66 % der ursprünglichen Bevölkerung.
Die Bewohner kamen in Baracken unter. Für den Wiederaufbau kamen Souchez Kriegsentschädigungen zugute; außerdem übernahm das Londoner Viertel Kensington eine Patenschaft für den Ort. Die Kirche mit ihren hübschen Fenstern wurde ab 1928 wieder aufgebaut. Beim Rathaus wurde am Rande eines neuen Platzes ein Denkmal für die gefallenen Soldaten aus Souchez errichtet. Auch die Namen der 1914 und 1915 getöteten Bewohner des Ortes werden hier aufgelistet, darunter auch das Opfer einer standrechtlichen Erschießung. Einziges Überbleibsel aus der Zeit vor 1914 ist der Sockel eines ehemaligen Kreuzes aus Sandstein, der während des Wiederaufbaus ausgegraben wurde. Der Sockel steht heute an der Ecke der Straßen Rue Pasteur und Rue Curie.
Photos credits: Collection Alain Jacques
Das im Mai 1937 eingeweihte Denkmal BARBOT ehrt den Kommandeur der 77. Alpendivision, der am 10. Mai 1915 zwischen Carency und Souchez tödlich von einem Granatensplitter getroffen wurde. General BARBOT war unter seinen Männern sehr beliebt und wurde auch „der Retter von Arras“ genannt: Im Oktober 1914 leistete er mit seinen Truppen in den Vororten von Arras beharrlichen Widerstand gegen die Deutschen. Er wurde in Notre-Dame-de-Lorette unter einem gewöhnlichen Soldatenkreuz begraben.
Photos credits: S. Dhote
Cabaret Rouge ist mit seinen 7.645 Grabstätten aus dem Ersten Weltkrieg einer der größten Militärfriedhöfe des Commonwealth in der Region. Die Namensgebung „Cabaret Rouge“ rührt von einem kleinen Café aus rotem Backstein her, das sich dort einmal befand. Während der Kämpfe 1915 wurde es zerstört. Im März 1916, als die Briten zur Ablösung der französischen Truppen in den Sektor einrückten, erbauten sie den Friedhof. Unmittelbar nach dem Waffenstillstand wurde er vergrößert, um die sterblichen Überreste von 7.000 Soldaten aufzunehmen, die in der Schlacht von Arras gefallen waren. Mehr als die Hälfte der beigesetzten Soldaten konnte nicht identifiziert werden. Die Baupläne für die Begräbnisstätte stammen aus der Feder des Architekten Frank Higginson. Im Eingangsbereich wurden die Grabstätten kreisförmig um ein zentrales Denkmal herum angelegt, das dem Opferkreuz gegenübersteht. Im Mai 2000 wurden dort die sterblichen Überreste eines unbekannten kanadischen Kämpfers ausgegraben und den kanadischen Autoritäten übergeben. Sie ruhen nun in einem Sarkophag vor dem kanadischen Kriegsdenkmal, am Place de la Confédération in Ottawa.
Photos credits: P. Frutier / E. Roose
Das Denkmal in der kanadischen Parkanlage von Vimy zeigt, dass es bereits vor den Kanadiern im April 1917 andere Soldaten schafften, diesen strategischen Standort zu erreichen. Am 9. Mai 1915, als die 10. französische Armee ihre große Offensive im Artois startete, durchbrachen Männer der Marokkanischen Division die Feindeslinien und erreichten den Bergkamm von Vimy (Höhe 140). Ohne Verstärkung und tödlichem Beschuss ausgesetzt, wurden sie jedoch wieder zum Rückzug gezwungen. In den Tagen vom 9. bis 11. Mai verlor die Marokkanische Division 4.207 Männer. Das Denkmal wurde 1925 auf Initiative ehemaliger Kämpfer der Division errichtet.
Photos credits: Bibliothèque nationale de France (BnF)
Im Januar 1917 erhielten die kanadischen Truppen den Befehl, den Bergkamm von Vimy zu erobern. Einige Wochen später marschierten vier kanadische Divisionen entlang einer Frontlinie auf, die sich nördlich des Dorfes Ecurie bis nach Souchez erstreckte. Die Offensive war minutiös vorbereitet. Nach einem intensiven Trommelfeuer der Artillerie gingen die kanadischen Truppen am Morgen des 9. April 1917 zum Angriff über. Der Vormarsch der 1., 2. und 3. Division verlief größtenteils nach Plan: Bereits am Nachmittag erreichten sie ihr Operationsziel. An der Nordflanke der Frontlinie stieß die 4. Division indessen auf sehr viel stärkeren Widerstand. Sie sollte die Nordflanke des Bergkamms einnehmen (die Höhe 145, genannt „The Pimple“). Erst durch eine massive Truppenverstärkung konnte „The Pimple“ und damit der gesamte Höhenzug von Vimy schließlich am 12. April erstürmt werden. Dieser wichtige Sieg forderte jedoch seinen Preis: Bei den Angriffen vom 9. bis 14. April 1917 wurden 10.600 alliierte Soldaten getötet oder verletzt. Die Eroberung des Bergkamms von Vimy ist ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der kanadischen Nation.
Die nationale kanadische Gedenkstätte von Vimy erstreckt sich über eine Fläche von über 100 Hektar, die mit Pinien und Ahornbäumen aufgeforstet wurde. 1922 trat Frankreich das Gelände an Kanada ab. Das als „Rote Zone“ (Zone Rouge) eingestufte Terrain zeigt bis heute die Spuren der Kämpfe. Einige Schützengräben sind erhalten geblieben und wurden zugänglich gemacht. Sie verdeutlichen, wie nah beieinander die kanadischen und deutschen Frontlinien verliefen. Am meisten beeindruckt jedoch das immense Denkmal. Es ist den 60.000 Kanadiern gewidmet, die während des Ersten Weltkrieges fielen. Die beiden 35 m hohen Zwillingssäulen wurden an der Erhebung 145 errichtet. Sie bieten eine spektakuläre Sicht auf das Kohlebecken. Der Bau des von Walter Seymour ALLWARD entworfenen Denkmals dauerte elf Jahre. Eine der Skulpturen des Denkmals stellt Kanada als trauernde Frau dar, die ihre verlorenen Söhne beweint. Die Namen von 11.285 kanadischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges, deren sterbliche Überreste nie gefunden werden konnten, sind in den Sockel des Denkmals eingemeißelt.
Ein Teil des Grange Tunnels ist zugänglich und kann unter Anleitung eines kanadischen Führers besichtigt werden. Ein Besucherzentrum informiert über die Geschichte der Schlacht.
Photos credits: P. Frutier / Bibliothèque nationale de France (BnF) / S. Dhote / S. Dhote
Auf halben Weg zwischen Neuville-Saint-Vaast und Thélus befindet sich der britische Kriegsfriedhof Zivy Crater, der in einem ehemaligen Minenkrater angelegt wurde. Es gibt nur zwei derartige Friedhöfe. Der andere, Lichfield Crater, liegt in weniger als 500 Metern Entfernung. In Zivy Crater liegen 53 Soldaten begraben, fünf von ihnen sind bis heute nicht identifiziert. Fast alle Gefallenen gehörten der kanadischen Armee an. Sie verloren ihr Leben während des Angriffs auf die Vimy-Höhen am 9. April 1917. Auf dem Friedhof gibt es keine Grabsteine. Die Namen der Toten stehen auf Tafeln, die an der Mauer rund um die Begräbnisstätte befestigt sind.
Photos credits: S. Dhote
Das Dorf Neuville-Saint-Vaast wurde ab Oktober 1914 besetzt. Der Ort war für die Deutschen eine wichtige Verteidigungsstellung, die stark befestigt wurde. Auf diese Weise wurde der Zugang zum strategisch bedeutsamen Höhenzug von Vimy blockiert. Die Gemeinde stand im Mai 1915 im Zentrum einer französischen Offensive mit dem Ziel, die Frontlinie im Norden von Arras zu durchbrechen. Am 9. Mai stießen die französischen Truppen im Dorf auf starken Widerstand. Vier Wochen lang tobten erbitterte Kämpfe. Am 9. Juni 1915 erlangten die Franzosen die Kontrolle über das gesamte Dorf. Im Jahre 1917 diente Neuville-Saint-Vaast als Ausgangspunkt für die Offensive der kanadischen Truppen gegen den Höhenzug von Vimy. Am Kriegsende war das Dorf ein einziges Ruinenfeld, auf dem tausende Kämpfer ihr Leben verloren hatten.
Die Gemeinde Neuville-Saint-Vaast wurde nach dem Krieg komplett neu aufgebaut. Der Dorfplatz, auf dem das Gefallenendenkmal steht, wurde nach Roland DORGELÈS genannt, der Autor des berühmten Kriegsromans „Die hölzernen Kreuze“ („Les croix de bois“). In unmittelbarer Nähe befindet sich das wiederaufgebaute Rathaus. An dessen Fassade halten Inschriften die Erinnerung an den Krieg und die Gefallenen wach. Die im neugotischen Stil wieder errichtete Kirche Saint Laurent wurde im Juni 1925 vom Bischof von Arras, Eugène JULIEN, eingeweiht. Mehrere Kirchenfenster erinnern an den Ersten Weltkrieg. Eines von ihnen zeigt den Friedhof von Notre-Dame-de-Lorette. Auch im Inneren gibt es zahlreiche Votiv- und Gedenktafeln. Das Gebäude wurde aus Stahlbeton geschaffen. Der Erfinder dieser Konstruktionstechnik, François Hennebique, wurde am 25. April 1842 in Neuville-Saint-Vaast geboren.
Photos credits: Bibliothèque nationale de France (BnF) / S. Dhote / E. Roose
Die über 7 Hektar große Anlage von La Maison Blanche ist das größte deutsche Gräberfeld in Frankreich. Insgesamt 44.833 Gefallene haben hier ihre letzte Ruhe gefunden, 8.040 sind im Beinhaus bestattet. Nach Kriegsende wurde der Friedhof von den französischen Behörden angelegt, nur sie hatten die Genehmigung dazu. In diesen Friedhof wurden die sterblichen Überreste deutscher Soldaten aus ursprünglich über hundert Begräbnisstätten im ganzen Pas-de-Calais umgebettet. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberführsorge (VDK), der 1919 von Veteranen gegründet wurde, hat die Gestaltung des Friedhofs übernommen. Heute bringt der VDK zahlreiche Jugendliche unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern“ zusammen. In internationalen Workcamps helfen sie bei der Pflege der Anlage mit. Wie alle deutschen Soldatenfriedhöfe ist La Maison Blanche in die Landschaft eingebettet; das Terrain mit leichten Erhebungen und Bodenwellen wurde nicht begradigt. Viele Bäume wachsen auf dem Gelände. Sie symbolisieren den Wald, der über die Ruhe der Toten wacht. Unter jedem schwarzen Kreuz liegen vier Soldaten begraben. Jüdische Gefallene haben Steinstelen auf ihren Gräbern. In der Mitte des Friedhofs befindet sich ein Denkmal mit der Inschrift „Ich hatt’ einen Kameraden“ aus dem bekannten Gedicht Ludwig Uhlands.
Die Ebene in Richtung der Gemeinde Ecurie war Schauplatz erbitterter Kämpfe im Jahr 1915. Grund war ein strategisch wichtiges Netz von Schützengräben, das den vielsagenden Namen „Labyrinth“ trug.
Photos credits: S. Dhote / Collection Alain Jacques
Die „Stadt der Kriegsversehrten“ wurde 1928 im Rahmen des Gesetzes Louis Loucheur errichtet. In den 16 Häusern wohnten nach dem Krieg Kriegsversehrte mit ihren Familien. Die Veteranen waren als Friedhofswächter auf den umliegenden Soldatenfriedhöfen beschäftigt. Angehörige von Gefallenen konnten im Gästehaus der Siedlung untergebracht werden. Die Häuser liegen an der Rue du 11 novembre 1918. Jedes Haus trägt den Namen eines Generals oder Marschalls, der Truppen im Artois befehligte: Barbot, Joffre, Foch, Pétain, Mangin …
Bild-Kredit : E. Roose
Photos credits: E. Roose
Dieses Denkmal wurde 1932 enthüllt. Es zeigt eine Hand mit einer Fackel, die aus dem Boden herauszubrechen scheint und sich über die Ruinen in die Höhe streckt. Es symbolisiert den Wiederaufbau des Dorfes nach dem Ersten Weltkrieg. Nicht von ungefähr enthält das Gemeindewappen das Motto „9. Mai – Resurgam – 1915“ (ich werde auferstehen). Früher stand ein Betonbogen neben dem Denkmal, der den Eingang zur „Stadt der Kriegsversehrten“ markierte.
Photos credits: E. Roose
La Targette wurde 1919 angelegt und zeugt von den vielen Kriegsopfern in diesem Frontabschnitt. Die Anlage ist über vier Hektar groß und gewährt 12.210 französischen Soldaten die letzte Ruhe, darunter 11.443 Gefallene des Ersten Weltkriegs. Die sterblichen Überreste von 3.882 nicht identifizierten Gefallenen wurden in zwei Beinhäusern bestattet. Die streng geometrische Anordnung der weißen Kreuze kontrastiert mit dem angrenzenden kleineren britischen Soldatenfriedhof, den die Briten seit April 1917 nutzten. Auf dem La Targette British Cemetery sind 641 Gefallene bestattet, darunter drei Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Photos credits: P. Frutier / S. Dhote
Auf dem Gemeindefriedhof von Écoivres liegen sowohl britische als auch französische Gefallene des Ersten Weltkriegs. Ursprünglich wurde der Friedhof um ein Karree erweitert, auf dem 787 französische Soldaten bestattet wurden, die bei Kämpfen im Jahr 1915, hauptsächlich an der Frontlinie zwischen Souchez und Neuville-Saint-Vaast, ums Leben gekommen waren. Die Briten, die ab Februar 1916 die französischen Truppen im Artois verstärkten, bestatteten ihre Gefallenen ebenfalls in Écoivres. Ab 1917 kamen viele Kanadier hinzu, die in diesem Frontabschnitt die Rückeroberung der Vimy-Höhen vorbereiteten. Auf dem Friedhofsgelände findet man das für Kriegsfriedhöfe des Commonwealth typische Opferkreuz (Cross of Sacrifice). Die Vorderseite des Kreuzes ziert ein Bronzeschwert, dessen Klinge zum Zeichen der Trauer zu Boden zeigt. Wie auf allen Soldatenfriedhöfen mit mehr als 400 Gräbern steht auch hier der Altarstein mit der Inschrift „Their names liveth for evermore“ (Ihre Namen leben ewig weiter).
Photos credits: E. Roose
Das Dorf Mont-Saint-Éloi ist vor allem für seine Abteiruine aus dem 18. Jahrhundert bekannt. Diese wurde während der Französischen Revolution vollständig zerstört, nur die Türme blieben stehen. Da das Dorf in sicherer Entfernung zur Front lag, ist es von den zerstörerischen Bombardements des Ersten Weltkriegs relativ verschont geblieben und das Kulturerbe aus Sandstein und Kreide blieb erhalten. Dennoch wurden die Türme von der deutschen Artillerie unter Beschuss genommen, da sie auf französischer Seite als Beobachtungsposten verwendet wurden. Die Einschüsse kann man noch heute sehen. Während des Ersten Weltkriegs waren zunächst französische Truppen im Dorf stationiert (1914–15), anschließend britische (1916–18). Im Jahr 1917 bezogen die Kanadier weiträumig Stellung in diesem Frontabschnitt. In der Nähe des Dorfes unterhielten die Briten außerdem ein Flugfeld.
Photos credits: [portefeuille 96,20] Bibliothèque municipale de Lille / [Cote P906] Bibliothèque municipale de Lille
Mit dem Namen Carency verbindet sich die Erinnerung an den „Minenkrieg“, der dort in den ersten Monaten des Jahres 1915 stattfand. Die französische Armee hatte von Dezember 1914 an Schwierigkeiten, das Dorf zurückzuerobern. Daher entschloss sich ihre Führung, die Deutschen in einem regelrechten unterirdischen Krieg zurückzudrängen. Dabei wurden Stollen in Richtung der deutschen Stellungen getrieben, die mittels Sprengstoff zum Einsturz gebracht wurden, um die gegnerische Befestigung zu zerstören. Zwischen Angreifern und Verteidigern brach nun ein Zermürbungskrieg mithilfe von Stollen und Gegenstollen aus. Am 9. Mai 1915 nahmen die französischen Truppen das bereits in Trümmern liegende Dorf während einer großangelegten Offensive der Alliierten im Artois schließlich ein.
Photos credits: Bibliothèque de Documentation Internationale Contemporaine (BDIC)
Das Dorf Ablain-Saint-Nazaire, am Fuße der Lorettohöhe gelegen, wurde von den Deutschen im Oktober 1914 besetzt und befestigt. Erst im Mai 1915 konnte es die französische Armee nach erbitterten Gefechten endgültig zurückerobern.
Die alte, von den Bombardements der ersten beiden Kriegsjahre stark zerstörte Kirche von Ablain-Saint-Nazaire wurde nach dem Krieg als Ruine stehen gelassen und unter Denkmalschutz gestellt. Den Bau im gotischen Stil hatte im 16. Jahrhundert der Architekt Jacques Le Caron errichtet, nach dessen Entwürfen auch das Rathaus von Arras gebaut worden ist. Die heutigen Ruinen lassen noch die ursprünglichen Ausmaße des Baus erahnen. Einst, in ihrer ganzen Pracht, hatte die Kirche drei Schiffe und einen großen, 34 m hohen, viereckigen Turm. Die von Mörsergranaten stark zerstörte Kirche von Ablain-Saint-Nazaire wurde bereits 1915 zu einem Symbol für die Schrecken des Krieges im Artois. Viele Dokumente und Fotografien aus dieser Zeit zeigen den in Trümmern liegenden Sakralbau.
Bei Kriegsende ist Ablain nur noch ein Trümmerfeld, doch 1924 ist der Wiederaufbau abgeschlossen. Die neue Kirche von Ablain-Saint-Nazaire sowie das Rathausgebäude zeugen von diesen Baumaßnahmen, die zum größten Teil durch Reparationszahlungen finanziert wurden.
Photos credits: Bibliothèque de Documentation Internationale Contemporaine (BDIC)
Keiner der Kriegsgegner konnte im Herbst 1914 die Oberhand gewinnen. Nach und nach zeichnet sich ein Frontverlauf von den Vogesen bis zur Nordsee ab. Während dieses Zeitraums, der auch als „Wettlauf zum Meer“ bezeichnet wird, gelang es den Deutschen, alle für sie erreichbaren Höhenlagen am Rande der von ihnen eroberten Gebiete zu besetzen.
Die auf der 15 bis 20 Meter hohen Bodenwelle von Les Weppes gelegene Kirche von Fromelles diente den Deutschen als strategisch wichtiger Beobachtungsposten. Vom Glockenturm aus hatte man eine gute Sicht auf die Leie-Ebene von den Monts de Flandre bis zum Kohlebecken des Pas-de-Calais. Folglich nahmen die Alliierten die Kirche frühzeitig mit ihrer Artillerie ins Visier. Im Frühjahr 1916 war sie bereits gänzlich zerstört. Auf dem Fundament der alten Kirche wurde eine neue im neoromanischen Stil errichtet und 1924 geweiht.
Photos credits: Collection Jean-Marie Bailleul
Als das Kriegsgeschehen auf einen Stellungskrieg hinauslief, entwickelte jede Armee Strategien zur Verteidigung ihrer Stellungen. Ab 1915 errichteten Pioniere des deutschen Heeres entlang der Front eine Reihe von oft hintereinander gestaffelten Betonbunkerbauten mit unterschiedlichen Funktionen.
Noch heute findet man einige davon im Sektor von Les Weppes, darunter auch den Bunker von Abbiette, ein Kommandobunker, der einen Kilometer hinter der Frontlinie errichtet wurde. Ein Schild am Parados des zentralen Schützengrabens gibt an, dass der Bunker von der 13. bayerischen Pionier-Kompanie errichtet wurde, die zur 6. Division der deutschen Armee gehörte. Eine Geschützbank erlaubte es, das Bunkerdach als Deckung zu nutzen. Historische Quellen belegen, dass der Gefreite Adolf Hitler zwischen März 1915 und September 1916 dort als Meldegänger des 16. Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments diente und Befehle des Regimentsstabes, der in Wavrin stationiert war, übermittelte. 1940 stattete er dem Bunker wieder einen Besuch ab.
Photos credits: Collection Jean-Marie Bailleul / Jean-Marie Bailleul
Am 9. Mai 1915 fiel Hauptmann Paul Adrian Kennedy während der Schlacht um die Anhöhe von Aubers einem deutschen Scharfschützen zum Opfer, als seine Kompanie im Sektor „Les Rouges Bancs“ bei Fromelles vorrückte. Im Sterben fordert er seine Kameraden auf, ihn zurückzulassen. Bis heute blieben seine Überreste verschollen. Seine Mutter, Lady E. A. Wilbraham, die drei ihrer vier Söhne im Ersten Weltkrieg verlor, erwarb nach dem Krieg das Stück Land, auf dem Paul Kennedy zurückgelassen worden war. Dort ließ sie ein Kruzifix errichten, das 1922 zum Andenken an ihren Sohn geweiht wurde. Die Christusfigur des ursprünglichen Kruzifix wird heute im Chor der Kirche von Fromelles aufbewahrt.
Photos credits: Collection C. Heddy – Kennedy
Die Schlacht von Fromelles war als Entlastungsangriff für die Schlacht an der Somme geplant, die seit dem 1. Juli 1916 im Gange war. Beim Angriff am 19. Juli 1916 kamen zum ersten Mal australische Truppen an der Westfront zum Einsatz. Für sie wurde die Schlacht zu einer der verlustreichsten des Ersten Weltkriegs.
Am 19. Juli bereitete die Artillerie der Alliierten ab 11 Uhr den Angriff mit einem Trommelfeuer vor. Ab 18 Uhr rückten die 5. australische Division und die 61. britische Division auf einer 4 Kilometer breiten Front vor. Ziel war die Einnahme des Sugar Loaf (Zuckerhut), einer wichtigen Stellung der Deutschen gegenüber des Weilers Les Rouges Bancs bei Fromelles. Mehrtägiger Regen hatte das Gelände völlig aufgeweicht. Die Soldaten waren dem Maschinengewehrfeuer der Deutschen ausgesetzt, die sich vor der Artillerie in betonierten Unterständen verschanzt hatten – einige davon sind auf dem Gelände der Gedenkstätte zu besichtigen. An der Nordflanke durchbrachen die Australier die erste Verteidigungslinie der Deutschen, konnten sie trotz massivem Kampfeinsatz jedoch nicht halten. Die Operation wurde am Folgetag gegen 9 Uhr erfolglos und ohne Geländegewinne abgebrochen. Die Alliierten hatten schwere Verluste erlitten. Mehr als 1.500 Soldaten der 61. Division waren gefallen. Die Australier trauerten um mehr als 5.500 Gefallene, Verletzte und Verschollene. Auf deutscher Seite waren 1.600 Angehörige der bayerischen Division gefallen.
Obwohl keine Gefechtspause verabredet worden war, bargen australische Soldaten in den folgenden drei Tagen verletzte Kameraden aus dem Niemandsland. Die Statue in der Mitte der Gedenkstätte verkörpert diese Geste der Hilfsbereitschaft. Das Werk des Bildhauers Peter Corlett trägt den Titel „Cobbers“, was „Freund“ oder „Kumpel“ bedeutet, und wurde 1998 eingeweiht. Eine Replik steht im Garten des Shrine of Remembrance in Melbourne.
Photos credits: National Collection of the Australian War Memorial / National Collection of the Australian War Memorial / A.S. Flament
Alle von den Briten ausgehenden Kampfhandlungen im Vorfeld der Schlacht von Fromelles waren kurz und intensiv ausgefallen. Einigen Soldaten wurde für ihr besonderes Engagement während dieser Gefechte das Victoria Cross (V.C.) verliehen, die höchste Auszeichnung der britischen Armee. Darauf bezieht sich der Name des Friedhofs, V.C. Corner, wörtlich „Victoria-Cross-Ecke“.
Es handelt sich um die einzige Begräbnisstätte in Frankreich, die ausschließlich Australiern vorbehalten ist. In zwei Gemeinschaftsgräbern, die ein großes weißes Holzkreuz ziert, sind 410 australische Soldaten bestattet, die nach der Schlacht von Fromelles geborgen, nicht jedoch identifiziert werden konnten. Eine Wandtafel gegenüber dem Eingang verzeichnet die Namen der 1.299 Australier, die nach der Schlacht vom 19. und 20. Juli 1916 als vermisst galten. Einige von ihnen konnte man identifizieren, nachdem man im Jahr 2009 Massengräber im Fasanenwald untersucht hatte.
Photos credits: A.S. Flament
Der vom Architekten Sir Herbert Baker gestaltete Friedhof in der Gemeinde Fleurbaix gilt als eine der schönsten Gedenkstätten an der ehemaligen Front des Ersten Weltkriegs. Wie der Name unterstreicht, grenzt er an einen früheren Sanitätsposten in der zweiten Linie der britischen Schützengräben – an einer Stelle, die von den Einheimischen „Le Trou“, das Loch, genannt wurde. Dort ruhen 351 Angehörige der britischen Armee, die in verschiedenen Gefechten in diesem Frontabschnitt gefallen waren: Le Maisnil (Oktober 1914), die Schlacht um die Anhöhe von Aubers (9.-10. Mai 1915), die Schlacht von Loos (15. September bis 14. Oktober 1915) sowie die Schlacht von Fromelles (19.-20. Juli 1916). Nur 149 der Opfer konnten identifiziert werden.
Photos credits: A.S. Flament
Hinter dem Eingangsportal präsentiert sich der Soldatenfriedhof Rue-Petillon in Fleurbaix wie ein sorgsam gepflegter Garten. Hier ruhen neben mehr als 1.500 Gefallenen des gesamten Empire auch einige Deutsche. Wie der Le Trou Aid Post Cemetery ganz in der Nähe ist der Friedhof bei einem ehemaligen Sanitätsposten in der zweiten Linie der britischen Schützengräben angesiedelt. Die Ruine, die den Posten beherbergte, tauften die Soldaten ironischerweise Eaton Hall, nach dem Landhaus des Herzogs von Westminster. Beim Betreten dieser Gedenkstätte fallen dem Besucher gleich die aneinandergereihten Gräber der 30 australischen Soldaten auf, die am 15. Juli 1916 einem Überfall der Deutschen zum Opfer fielen.
Photos credits: O. Delory
Im Zuge voneinander unabhängiger Recherchen französischer und australischer Historiker gab die australische Regierung in den Jahren 2007 und 2008 Ausgrabungen am Rande eines Waldes in Auftrag, den die Deutschen im Ersten Weltkrieg als „Fasanenwald“ („Bois des Faisans“ auf Französisch) bezeichneten. Dabei wurden fünf Massengräber gefunden, die deutsche Soldaten nach der Schlacht von Fromelles angelegt hatten.
Im Jahr 2009 wurde beschlossen, die sterblichen Überreste der Soldaten zu exhumieren und DNA-Vergleiche vorzunehmen, um die Opfer des Ersten Weltkriegs zu identifizieren. Nachdem die Gräber minutiös von Archäologen, Anthropologen, Gerichtsmedizinern und Militärhistorikern untersucht worden waren, konnten die Überreste von insgesamt 250 Leichen geborgen und auf dem neuen Pheasant Wood Military Cemetery bestattet werden.
Die bei den Ausgrabungsarbeiten gewonnenen Daten bilden die Basis für ein Forschungsprogramm, das bis zum Jahr 2014 läuft und dazu dient, die Identifikation der Gefallenen abzuschließen. Die anthropomorphischen Daten werden mit den Soldbüchern der als vermisst Gemeldeten verglichen. Außerdem werden DNA-Vergleiche mit Nachkommen Vermisster aus Großbritannien und Australien vorgenommen.
Photos credits: Image courtesy of the Commonwealth War Graves Commission / Collection Jean-Marie Bailleul
Das Opferkreuz erhebt sich hoch über die Grabstelen, die gemeinsam eine sechseckige Fläche bilden. Es ist auf einem leicht hügeligen Terrain unweit der Kirche gegenüber der Frontseite des Gotteshauses errichtet worden. Jede einzelne der 250 gefundenen Leichen aus den Massengräbern des Fasanenwaldes wurde dort von britischen und australischen Militärs mit allen Ehren bestattet. Der Pheasant Wood Military Cemetery ist der erste neue Soldatenfriedhof des Commonwealth seit den 1960er-Jahren. In Anwesenheit von wichtigen politischen und militärischen Persönlichkeiten aus Frankreich, Großbritannien und Australien wurde er am 19. Juli 2010 eingeweiht. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten 94 Gefallene identifiziert werden. Im Laufe des Identifizierungsprogramms werden weitere Stelen, auf denen „Known unto God“ (nur Gott bekannt) steht, durch Namensstelen ersetzt.
Photos credits: G. Funk / E. Roose
Das Museum von Fromelles zeigt die Sammlung des Vereins ,,Fromelles et Weppes, terre de mémoire 14-18" und auch von der australischen Regierung geliehenen Ausgrabungstücke. Die Geschichte der Schlacht und die Schicksale einzelner Soldaten können hier nachvollzogen werden. Im Museum, das sich zum neuen Soldatenfriedhof Pheasant Wood hin öffnet, erfährt man auch Interessantes über die Ausgrabungen und das Identifizierungsprogramm für die Opfer des Ersten Weltkriegs, deren sterbliche Überreste hier 92 Jahre nach der Schlacht von Fromelles entdeckt wurden.
Photos credits: Collection Martial Delebarre
«My Dearest Mother,
I shall call this place from which I am now writing "The Smoky Cellar of the Forester's House...».
Liebste Mutter, den Ort, von dem ich Ihnen gerade schreibe, bezeichne ich am besten als den ‚verräucherten Keller des Forsthauses‘…“, beginnt Wilfred Owen, Unterleutnant im britischen Manchester Regiment, am 31. Oktober 1918 einen Brief an seine Mutter. Tatsächlich haben Owen und der Führungsstab seiner Kompanie im Keller des Forsthauses im Bois l’Évêque Unterschlupf gefunden. Die Kompanie soll am 4. November auf die gegenüberliegende Seite des Kanals übersetzen, der das Dorf Ors durchquert. Dort haben sich deutsche Einheiten verschanzt.
Wilfred Edward Salter Owen, geboren in Oswestry/Shropshire im Jahr 1893, unterrichtete Englisch in Bordeaux, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Im Oktober 1915 meldet er sich freiwillig an die Front. Nach der Militärausbildung kämpft er im Januar 1917 an der Somme. Wegen eines schweren Kriegstraumas durch eine Explosion wird Owen ins Lazarett Craiglockhart in Schottland gebracht. Dort lernt er den Dichter Siegfried Sassoon kennen, Offizier wie er, Kriegsheld und Verfasser einer leidenschaftlichen pazifistischen Schrift. Die Freundschaft mit Sassoon weckt die poetische Schaffenskraft Owens. So entstehen während seiner Rekonvaleszenz in Schottland einige seiner berühmtesten Gedichte, darunter Anthem for Doomed Youth (Hymne an eine verlorene Jugend), Dulce et Decorum est, Futility (Vergänglichkeit) und Strange Meeting (Seltsame Begegnung).
Ende August 1918 geht Owen zurück an die Front und nimmt an der 100-Tage-Offensive teil, die den Krieg an der Westfront beenden wird. Der Brief an seine Mutter sollte sein letzter sein.
Das Forsthaus Wilfred Owen, das 2011 eröffnet wurde, ist ein Werk des britischen Bildhauers Simon Patterson. Die Umgestaltung in Zusammenarbeit mit dem Architekten Jean-Christophe Denise soll das poetische Genie Wilfred Owens erlebbar machen und zeigen, welche Aktualität künstlerische Werke, die den Horror des Krieges abbilden, auch heute noch sein können. Der Keller, den man über eine geschwungene Rampe von außen erreicht, ist erhalten geblieben. Kennt man den letzten Brief Owens an seine Mutter, meint man die feuchte Atmosphäre des „verräucherten Kellers des Forsthauses“ immer noch wahrzunehmen.
Photos credits: Jacky Duminy / Rémi Vimont / Rémi Vimont
Im Herbst 1918 sind die Alliierten weit in die seit 1914 von der deutschen Armee besetzten Gebiete vorgedrungen und setzen ihren Vormarsch in Richtung belgische Grenze fort. Cambrai wird am 9. Oktober befreit, Lille am 17. Auf ihrem Rückzug errichten die Deutschen Stellungen, um die Alliierten aufzuhalten. Nachdem sie in Ors Brücken und Schleusen am Kanal gesprengt haben, ziehen sich die deutschen Soldaten ans östliche Ufer zurück und verschanzen sich auf dem Hof „La Motte“. Die Briten greifen diese Stellung in den Morgenstunden des 4. November 1918 an. Der Soldatenfriedhof wenige hundert Meter vom Kanal entfernt beherbergt die sterblichen Überreste der 40 Gefallenen dieses Tages. Nach dem Waffenstillstand wurde er vergrößert, um andere Gefallene des Sektors aus den letzten Kriegswochen aufzunehmen. Heute zählt der Friedhof 107 Gräber.
Photos credits: Édouard Roose / Édouard Roose
Die für den 4. November 1918 östlich von Ors vorgesehene Operation der Briten ist riskant: Trotz des deutschen Maschinengewehrfeuers vom gegenüberliegenden Ufer ist es notwendig, eine schwimmende Ponton-Brücke zusammenzusetzen, um den Kanal zu überqueren. Obwohl Colonel Marshall nach einer Sondierung des Terrains einen negativen Lagebericht erstattet, wird an dem Vorstoß festgehalten. Um 5.45 Uhr morgens beginnen das 2. Bataillon des Manchester Regiments und das 16. Bataillon der Lancashire Fusiliers die Offensive. Angehörige der Royal Engineers begleiten diese Einheiten, um auf dem Wasser die vorgefertigten Teile des Steges zusammenzubauen. Die Operation schlägt fehl: Auf dem Treidelpfad sind die Soldaten direkt dem gegnerischen Feuer ausgesetzt und werden regelrecht niedergemäht. Unter ihnen ist auch Wilfred Owen. Die verteidigenden deutschen Soldaten können erst niedergerungen werden, nachdem Einheiten des Dorset Regiments und der Lancashire Fusiliers südlich von Ors und nördlich von Landrecis den Kanal überqueren.
Photos credits: Collection Jean-Pierre Lambrè
Im Jahr 1991 bittet die Western Front Association den Bürgermeister von Ors um die Erlaubnis für die Errichtung eines Gedenktafels an der heutigen Kanalbrücke. Damit möchte der Verein Wilfred Owen ehren. In Frankreich noch weitestgehend unbekannt, gilt Owen jenseits des Ärmelkanals als Schlüsselfigur der War Poets und als einer der herausragenden Dichter des 20. Jahrhunderts. Die Zusammenarbeit der Gemeinde mit der Wilfred Owen Association ermöglichte es auch, das Forsthaus zu lokalisieren, das der Dichter im letzten Brief an seine Mutter beschrieben hatte.
Photos credits: Édouard Roose
Die mit der deutschen Besatzung verbundenen Ärgernisse prägen das Leben der Bewohner von Ors zwischen dem 26. August 1914 und der Befreiung am 1. November 1918. Die Besatzer vepflichten die Gemeinde zu hohen Abgaben, gleichzeitig leiden die Menschen unter der Beschlagnahmung von Agrarprodukten, Vieh und materiellen Gütern für militärische Zwecke. Ab Oktober werden das Dorf und Umgebung von britischen Bombern ins Visier genommen, das Zentrum des Dorfes wird schwer beschädigt. Am 9. Mai 1926 bekommt Ors das Croix de Guerre verliehen. Im Mai 1940 leistet eine kleine Gruppe französischer Soldaten heroischen Widerstand gegen die Panzer von General Rommel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ehrt das Dorf diese Soldaten, indem es Straßen und Plätze nach ihnen benennt: Place du Maréchal des Logis Sourice, Rue du Capitaine d’Arche und Rue du Lieutenant Hudault.
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Dank eines großen weißen Kreuzes ist der Eingang zum Grabfeld mit den letzten Ruhestätten der Soldaten auf dem Gemeindefriedhof von Ors leicht zu erkennen. Das Kreuz ziert das Schwert des Heiligen Georg, seine Spitze zeigt zum Zeichen der Trauer zu Boden. Fast alle Soldaten, die hier bestattet wurden, sind am 4. November 1918 in verschiedenen Gefechten am Sambre-Oise-Kanal gefallen. Das dritte Grab von links in der letzten Reihe ist das des Soldatendichters Wilfred Owen. Die Familienchronik der Owens besagt, dass Susan Owen, die Mutter des Dichters, das schicksalhafte Telegramm mit der Todesnachricht in dem Moment erhielt, als am 11. November 1918 gerade die Glocken in ganz Großbritannien den Waffenstillstand verkündeten.
Der von Susan Owen ausgewählte Gedenkspruch ist ein Auszug aus Wilfred Owens Gedicht The End (Das Ende). Aus dem Kontext des Gedichts gelöst, stellen die Zeilen eine Botschaft der Hoffnung dar:
„Wird Leben diese Körper erneuern? In Wahrheit
Macht er allen Tod zunichte“.
Eine weitere Besonderheit auf dem Gräberfeld ist das einzelne Grab ganz rechts. Dort ruht Colonel James Marshall, der nach einer Sondierung des Terrains vorausgesehen hatte, dass die Operation am Kanal sehr riskant sein würde. Der als „der schreckliche Major mit den zehn Verletzungen“ bekannte Oberst fiel ebenfalls am 4. November. Für seinen Mut im Gefecht erhielt er posthum das Victoria Cross, die höchste britische Militärauszeichnung. Es ziert anstelle eines christlichen Kreuzes seinen Grabstein.
Das Grab eines weiteren Victoria-Cross-Trägers, Unterleutnant James Kirk, befindet sich in derselben Gräberreihe wie die von Marshall und Owen. Kirk hatte sich mit einem Rettungsfloß aufs Wasser begeben und seinen Kameraden Deckung gegeben, während diese versuchten den schwimmenden Steg zu errichten.
Jedes Jahr am 4. November versammeln sich die Bewohner von Ors zu einer Gedenkfeier für Wilfred Owen und seine Kameraden auf dem Friedhof.
Zu Lebzeiten hat Wilfred Owen nur vier Gedichte veröffentlicht. Tatsächlich wurde er in Großbritannien auf Betreiben seiner Dichterkollegen Siegfried Sassoon und Edmund Blunden erst nach dem Krieg einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Owen wurde damals zu einem der wichtigsten Vertreter der War Poetry, einer literarischen Bewegung, zu der Soldatendichter gehörten, die ihre Kriegserlebnisse in ihr Werk einfließen ließen. Mit einer feierlichen Zeremonie gedachte man ihrer am 11. November 1985 anlässlich der Einweihung der Gedenkstätte Poets’ Corner in der Westminster Abbey in London. Die Erinnerungstafel des Poets’ Corner verzeichnet 16 ihrer berühmtesten Vertreter, darunter Wilfred Owen, Siegfried Sassoon, Isaac Rosenberg, Edmund Blunden, Robert Graves und Rupert Brooke. Am gleichen Ort befindet sich die nationale Gedenkstätte für den unbekannten Soldaten.
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Als die Kompanie das Forsthaus erreicht, ist vom Wald nur eine große, vollständig abgeholzte Fläche übrig. Ab Dezember 1914 nutzen die Deutschen die Wälder der besetzen Gebiete, um an der Front ihren Bedarf an Holz zu decken. Es wurde gebraucht, um Schützengräben auszubauen, zu befestigen und zu reparieren. Nach und nach rodeten Zwangsarbeiter und russische Kriegsgefangene den Bois-l’Évêque, genau wie den nahen Wald von Mormal, bis sämtliche Bäume verschwunden waren. Die kleine, der „Notre-Dame du Bonsecours“ (Unsere Liebe Frau der immerwährenden Hilfe) geweihte Kapelle der Eremitage in der Nähe des Forsthauses wurde 1918 von Bomben zerstört und erst 1923 auf den Fundamenten des Vorgängerbaus rekonstruiert.
Das Fort Leveau wurde zwischen 1882 und 1884 errichtet. Es ist Bestandteil des Festungsgürtels von Maubeuge. Dieser gehörte zu einem Verteidigungssystem, das General Raymond Adolphe Séré de Rivières entwickelt hatte, um die Grenze zu Belgien zu sichern und die Festung Maubeuge auszubauen.
Das Fort verfügt über Hochbatterien und Panzertürme. Die Artillerie war auf Plattformen oberhalb der Kaserne positioniert und ragte fast 10 Meter über die Festungsmauer hinaus. Um feindliches Eindringen zu verhindern, war das Fort von Gräben mit Eskarpe- und Kontreeskarpemauern umgeben, die von zwei Kaponnieren gesichert wurden, massive Ziegelbunker an der inneren Ringmauer, die Flankierungsbeschuss ins Innere der Gräben ermöglichten. Der Eingang und die „Kehle“, also der rückwärtige Eingangsbereich des Forts, wurden ebenfalls von zwei Flankierungskasematten, sogenannten Kehlkoffern, gesichert.
Die Stätte zeugt von der Belagerung der Festung Maubeuge durch die deutsche Armee im Sommer 1914. Nachdem diese die belgische Verteidigung in Lüttich und Namur besiegt hatte, setzte sie im Sinne des Schlieffen-Plans ihren Vorstoß in Richtung Paris fort. Am 29. August begannen die Deutschen mit dem Beschuss der Forts und Verteidigungsanlagen des Festungsgürtels mit dem Ziel, jeglichen französischen Widerstand zu brechen, der den Vorstoß der kaiserlichen Truppen hätte gefährden können.
Am 7. September 1914 wurde auch das Fort Leveau bombardiert. Die dicken Mauerwerke hielten den deutschen Granaten nicht stand, besonders nicht den 420 mm-Granaten, die mit der Kanone „Dicke Bertha“ abgeschossen wurden. Noch am selben Tag wurde das Fort evakuiert. Die menschlichen Verluste betrugen ungefähr 100 Tote, das Mauerwerk und die Zugangsbrücke, die heute wiederhergestellt ist, wurden schwer beschädigt.
Nach 1993 wurden vom „Verein zum Erhalt des Fort de Leveau“ (Association de Sauvegarde du Fort de Leveau) umfangreiche Restaurationsarbeiten am Fort durchgeführt. Heute befindet sich dort ein Museum, das Sammlungen zur Geschichte des Forts während der Belagerung Maubeuges und der deutschen Besatzung des Avesnois im Ersten Weltkrieg beherbergt.
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Um Truppenbewegungen und Materialtransporte innerhalb der Festung zu vereinfachen, wurde ein strategisches Wegenetz eingerichtet. Dieses ermöglichte Bewegungen außerhalb des Sichtfeldes der Belagerer zwischen den Forts und den Militärstellungen. Meist verliefen sie auf bestehenden Nebenstraßen, die von der Gemeinde gegen eine Gebühr des Kriegsministeriums instandgehalten wurden.
Innerhalb der Festung Maubeuge verband der Verbindungsweg 14 das Fort Leveau mit dem Fort des Sarts und führte dann weiter in Richtung Mairieux, Elesmes und Assevent bis zum Fort Cerfontaine. Heute verläuft hier die Landstraße D136.
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Der Festungsgürtel von Maubeuge umfasste 13 Forts und Verteidigungsanlagen. Die Forts wurden auf Anhöhen errichtet und bilden nach wie vor markante Punkte in der Landschaft.
Nach seiner Ernennung zum Militärgouverneur von Maubeuge im Jahr 1912 erkannte General Fournier die Schwächen der exponierten Lage der Forts. Um die Verteidigungsanlagen auszubauen, ließ er Gräben, Vorposten und Stacheldrahtsperren anlegen, was ihm den Spitznamen „General Stacheldraht“ einbrachte.
Die auf den Anhöhen nordöstlich von Maubeuge in Belgien stationierten deutschen
Geschütze nahmen die französischen Stellungen im Osten Maubeuges ab dem 29. August 1914 unter Dauerfeuer. Die Häufigkeit der Einschläge sowie das Ausmaß der Zerstörung überwältigten die Besatzungen der Forts Boussois und Cerfontaine und der Außenwerke Bersillies, Salmagne und Rocq. Auch Maubeuge wurde getroffen.
Am 31. August entdeckten die französischen Soldaten das erste Mal den Boden einer 42cm- Granate in unmittelbarer Nähe des Forts des Sarts. Anhand ihres bloßen Umfangs wurde ihnen schnell die überlegene Feuerkraft der Deutschen klar.
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Um den Verteidigungsgürtel zu verstärken und die dazwischen positionierten Artilleriebatterien zu schützen, wurden von 1891 bis 1895 zwischen den Forts folgende Infanteriewerke erbaut: Bersillies, La Salmagne, Ferrière-la-Petite, Gréveaux, Feignies und Héron-Fontaine. Die Verteidigungsanlage von La Salmagne überstand das Bombardement vom 31. August und 1. September.
Am Mittag des 1. September startete General Fournier von den Werken La Salmagne, Fagné und dem Fort Boussois aus einen Angriff auf einer Frontlänge von 8 km zwischen Vieux- Reng und Jeumont mit dem Ziel, die feindliche Artillerie zu zerstören.
Es handelte sich um die einzige breit angelegte Offensive der französischen Truppen während der Belagerung. Der Angriff wurde jedoch 250 Meter vor den feindlichen Artilleriestellungen durch deutsches Maschinengewehrfeuer gestoppt.
Ende September sprengten die Deutschen die Grabenflankierungen und bauten die Stacheldrahtbefestigungen ab, um sie an der Front einzusetzen.
1935 wurde das Werk erneut in das Verteidigungssystem entlang der französischen Grenze eingebunden. Die Unterstände wurden zerstört und durch eine betonierte Infanteriefestung mit 2 Kampfständen ersetzt. Sie waren 30 Meter unter der Erde durch einen 150 Meter langen Gang verbunden, an dem sich die Kasernierung mit Küche, Zimmern und Krankenstation befand.
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1914 umfasste diese Feldbatterie sechs 90mm-Kanonen und deckte das Gebiet zwischen Cense du Fagné und Ferme de la Salmagne ab.
Rund um die Verteidigungsanlage sind noch immer die Zonenpfosten sichtbar. Diese dienten der Begrenzung der Bebauungszonen auf diesem Gebiet:
Die 3 Zonen hatten einen Gesamtradius von 974 Metern, was eine Entlastung aller militärischen Verteidigungsanlagen ermöglichte. Gleichzeitig wurden dadurch sämtliche Baumaßnahmen verhindert, die von der Bevölkerung etwa für landwirtschaftliche Zwecke gefordert wurden.
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Die Schlacht um Maubeuge endete mit 2000 Toten auf französischer und deutscher Seite. Sie wurden zunächst in Massengräbern, provisorischen Grabstätten oder auf Friedhöfen in der Nähe der Orte, an denen sie gefallen waren, begraben. Zahlreiche Soldaten, die aus den Trümmern der Forts exhumiert wurden, sowie die in den Spitälern verstorbenen Soldaten wurden ebenfalls vor Ort beigesetzt.
Auf Anordnung des Kaisers wurde der Gouverneur von Maubeuge, Karl Ritter von Martini, mit dem Bau eines Militärfriedhofs in Assevent zu Ehren der „unsterblichen Toten“ betraut. Im März 1916 beauftragte er die jeweiligen Bürgermeister, die in ihren Gemeinden begrabenen Toten auf den Friedhof Assevent umzubetten. Der Bürgermeister von Maubeuge, Jules Walrand, wurde damit beauftragt, die Kosten für diese Überstellungen zwischen den Gemeinden aufzuteilen.
Der Friedhof wurde am 20. Oktober 1916 in Anwesenheit der Bürgermeister der jeweiligen Gemeinden, Abbé Wattiez und Jules Walrand, eingeweiht. Ihnen wurden auch die Schlüssel zum Soldatenfriedhof anvertraut.
Auf dem Soldatenfriedhof ruhen die Überreste von 1140 Franzosen, davon 487 in einem Beinhaus, von 339 Deutschen, davon 342 im Beinhaus, von 260 Russen, davon 200 im Beinhaus, von 12 Rumänen, 7 Briten und 1 Belgier.
Die russischen Kriegsgefangenen waren von den Deutschen von der Ostfront nach Nordfrankreich verschleppt worden. Sie wurden bei den Arbeiten an der militärischen Infrastruktur, bei der Abholzung der Wälder und der Errichtung der von den Alliierten „Hindenburglinie“ genannten Siegfriedstellung eingesetzt.
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Nach 9 Tagen intensiven Granatenbeschusses, der eine französische Verteidigungsstellung nach der anderen des Festungsgürtels von Maubeuge zu Fall gebracht hatte, ersuchte General Fournier am 7. September die Kapitulation bei den deutschen Belagerern. Diese trat am Folgetag um 8 Uhr morgens in Kraft.
Am 8. September um 14 Uhr empfing General Fournier in Begleitung von Hauptmann Grenier und Oberstleutnant Duchesne am Stadttor Porte de Mons den Befehlshaber der Belagerungstruppen, General von Zwehl. Gemäß der militärischen Tradition überreichte General Fournier dem Sieger seinen Degen, den dieser als Geste der Würdigung seiner Verdienste um die Verteidigung der Garnison jedoch nicht annehmen wollte.
Das noch von der Vaubanschen Festungsanlage aus dem 17. Jahrhundert stammende Stadttor Porte de Mons war Schauplatz des Auszugs von 32.000 französischen Soldaten, die nun in eine vier Jahre andauernde deutsche Gefangenschaft gingen.
Insgesamt waren 60.000 deutsche Soldaten für die Belagerung der Festung Maubeuge mobilisiert worden. Das entsprach der Anzahl der Soldaten, die Franzosen und Briten ab dem 5. September 1914 in der Marneschlacht aufbrachten, um den Vormarsch der deutschen Truppen auf Paris zu stoppen.
Unter der Porte de Mons erinnert eine Gedenktafel an General Fournier und die französischen Truppen, die die Festung Maubeuge verteidigten.
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Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt Maubeuge, ein strategisch wichtiger Ort an der nördlichen Grenze des Landes, durch Vauban befestigt. Das Stadttor Porte de Mons wurde 1682 erbaut und war 1914 neben der Porte de France und der Porte de Bavay einer von drei Zugängen in die Stadt.
Im Sommer 1914 wurde Maubeuge von der deutschen Armee belagert. Eine Gedenktafel unter der Porte de Mons feiert die Verteidiger der Festung. Das Bild zeigt den General Joseph Fournier, damals Militärgouverneur von Maubege und Oberbefehlshaber der Verteidigung der Stadt.
Der General übernahm 1914 das Kommando über die französischen Einheiten, die den 13 Forts und Verteidigungsanlagen zugeteilt waren, die den Festungsgürtel von Maubeuge bildeten. Diesen hatte General Séré de Rivières im Rahmen seines Planes zur Stärkung der Grenzverteidigung im Norden und Osten Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts reorganisiert. Fournier erkannte die Schwächen dieser Organisation im Falle eines feindlichen Übergriffes: Er ließ daher Zivilisten evakuieren, defensive Verteidigungsanlagen errichten und organisierte die Garnison neu. Ende August 1914 kreisten die deutschen Soldaten Mauberge ein und am 29. August begannen die Bombenangriffe. Die Verteidiger Maubeuges konnten den deutschen Granaten nicht lange standhalten:
Am 7. September hisste der General aufgrund der zahlreichen Verluste und der erlittenen Zerstörungen die weiße Fahne. Am 8. September um 8 Uhr morgens wurde die
Stadt offiziell übergeben. Der Oberbefehlshaber der deutschen Belagerungstruppen, General von Zwehl, erkannte den Mut des französischen Generals und seiner Männer an und weigerte sich symbolisch, Fourniers Degen anzunehmen. Aber das Gerücht, dass die Festung voreilig aufgegeben wurde, verbreitete sich rasch. Erst 1919 erkannte das oberste französische Kriegsgericht die Verdienste der Verteidiger der Schlacht von Maubeuge an. Joseph Fournier wurde freigesprochen.
Durch die Porte de Mons verließen die Besiegten am 8. September 1914 die Festung Maubeuge auf dem Weg in die Haftlager jenseits des Rheins. Ein letztes Mal defilierten sie an General Fournier vorbei.
Während der deutschen Besatzung wurde die Porte de Mons als Gefängnis für Strafgefangene verwendet. Das Tor ist eines der wenigen Bauwerke in Maubeuge, das die Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg überstanden hat.
Seit dem 17. Jahrhundert befanden sich in Maubeuge Kasernen für die Verteidiger der Festung. Diese Gebäude wurden nach dem Marquis Jean Arnaud De Joyeuse, Offizier der Könige Ludwig XIII und Ludwig XIV, „Joyeuse“ benannt. Das gleichnamige Viertel befindet sich am ehemaligen Standort der Kasernen.
Nach der Einnahme der Stadt durch die Deutschen im Jahr 1914 wurde ein beträchtlicher Teil ihrer Truppen in den Joyeuse Kasernen untergebracht. Die Keller der Joyeuse Kasernen dienten als Gefängnis für politische und zivile Gefangene, denen „Widerstandshandlungen“ vorgeworfen wurden (Übermittlung von Informationen an die französische Armee, Arbeitsverweigerung, Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht).
Im Nordosten der Kasernen wurde außerhalb des Festungswalls ein militärisches Übungsgelände geschaffen. Hier trainierten die Truppen des Kaisers Taktiken des Nahkampfes.
Maubeuge war auch ein bedeutendes Trainingszentrum für die deutsche Artillerie. Die Offiziere wurden hier in Feuertechnik und Ballistik fortgebildet. Die praktischen Übungen wurden in einem Steinbruch im Nachbarort Jeumont durchgeführt, wo Attrappen- Gebäude errichtet wurden.
1794 erhob sich „l’Entreprenant“ hoch in den Himmel über Maubeuge. Der Heißluftballon wurde auf Anordnung von Hauptmann Coutelle zur Beobachtung feindlicher Truppen eingesetzt, welche die noch junge französische Republik bedrohten. Das Ereignis stellte den Beginn der Luftfahrt in Maubeuge dar.
Ab 1910, mehr als ein Jahrhundert nach dem Flug von „l’Entreprenant“, wurde ein militärisches Luftfahrtzentrum im Nordosten der Stadt eingerichtet und ein Hangar für Luftschiffe am Standort des jetzigen Gymnasiums Pierre Forest erbaut.
Im September 1914 zerstörten die letzten noch in Maubeuge verbliebenen Luftschiff-Piloten ihr Material, bevor sie in deutsche Gefangenschaft gingen. Die Deutschen nahmen die Luftfahrt-Basis in Besitz, vergrößerten den Hangar und stationierten dort bis Mai 1916 Zeppeline.
Die in Maubeuge stationierten Zeppeline wurden für Bombenangriffe auf die Städte des Feindes eingesetzt. Im Visier lagen vor allem die Häfen, die für die Anlandung der britischen Truppen genutzt wurden, wie Margate, Calais und Boulogne. Die Flugschiffe flogen auch Angriffe auf die englische und französische Hauptstadt, was zu Panikreaktionen unter der Zivilbevölkerung führte.
Auf der die Luftfahrt-Basis überragende Bastion Falize wurde 1915 von den Deutschen eine Flugabwehrverteidigung errichtet. Die Überreste der deutschen Maschinengewehrsockel sind noch immer auf der Bastion sichtbar.
Nach dem Waffenstillstand wurde das Luftfahrtzentrum von Maubeuge von der französischen Armee umgerüstet und als Lager für Kampfpanzer verwendet. Der Hangar wurde von Wehrmachtssoldaten während des Zweiten Weltkrieges abgebaut. Deutsche Soldaten posieren vor dem Barackenlager der Luftverteidigungsstellung auf der Bastion Falize Privatsammlung
Das Arsenal ist das letzte bauliche Zeugnis der Garnisonskasernen. Es wurde zwischen 1678 und 1689 errichtet und bis 1914 für die Lagerung von Material der französischen Artillerie genutzt. Das Arsenal wurde an den Ufern der Sambre erbaut, seine Anlegestellen bildeten einen wichtigen Umschlagplatz für den Warenverkehr mit den Gebieten außerhalb der Stadt. Mit dem Beginn der Besatzung wurde dieser Austausch für die Versorgung der Bewohner Maubeuges von entscheidender Bedeutung. In dieser Periode der Entbehrungen und der Krise trug die Sorge um die Versorgunglage fast obsessive Züge. Die Nahrungsmittel für die Zivilbevölkerung wurden immer rarer, was die Preise in schwindelerregende Höhen trieb. Die Behörden ließen daher Lebensmittelkarten verteilen. Die Rationen für Brot oder Mehl wurden jedoch immer weiter eingeschränkt. Nach langen Verhandlungen mit der Besatzungsmacht erreichte die Stadt Maubeuge im Jahr 1915 die Erlaubnis, die Bewohner durch das Commission for Relief in Belgium (CRB) (belgisches Versorgungskomitee) versorgen zu lassen, das vom amerikanischen Ingenieur Herbert Hoover, dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, gegründet worden war. Die Lebensmittelhilfen des CRB verbesserten zwar den prekären Alltag der Bevölkerung Maubeuges, kurbelten aber gleichzeitig den expandierenden Schwarzmarkt an.
An dem Ort, an dem heute ein Teil der Gebäude des Square Jourdan stehen, befand sich früher das Militärspital von Maubeuge. Während der Schlacht von Maubeuge im Sommer 1914 versorgte man hier die verwundeten Soldaten. Zwar überstand das Gebäude zunächst die Bombardements der Deutschen, im Zweiten Weltkrieg wurde es jedoch von den Truppen der Wehrmacht zerstört. Die Kapelle der Schwarzen Schwestern, Teil eines alten in das Krankenhaus integrierten Klosters, ist das letzte Überbleibsel des Spitals.
Nach der Kapitulation der französischen Truppen im Jahr 1914 übernahm die Besatzungsmacht das Militärspital. Die Deutschen richteten dort ein Lazarett, in dem verwundete Frontsoldaten versorgt wurden, insbesondere Giftgasopfer oder Soldaten, die unter ansteckenden Krankheiten litten. Ein zweites Lazarett wurde im Viertel Sous-le-Bois eingerichtet.
1916 wurde aufgrund der steigenden Anzahl von Patienten eine Straßenbahntrasse gelegt, um die Verwundeten direkt ins Zentrum des Spitals zu bringen. Georges Dubut, ein Zeitzeuge aus Maubeuge, berichtete am Ende des Krieges, dass trotz der Errichtung weiterer Lazarette „die Flut an Verwundeten die Spitäler sprengte und in Eile die Kirche in Beschlag genommen und im Schnellverfahren umgebaut wurde“.
Alle Verwundeten wurden vor eintreffen der britischen Soldaten im November 1918 evakuiert.
Ab dem 9. September 1914 nahm die Verwaltung der Besatzer in der Stadt ihre Arbeit auf. Am 11. November wurde ein militärischer Verwaltungsbezirk gegründet, der die Kantone Maubeuge Nord und Süd, Bavay und Solrele- Château umfasste. Unmittelbar südlich von Maubeuge wurde eine streng überwachte Grenzlinie gezogen, die Bewegungen in das rückwärtige Frontgebiet, das der Versorgung der Fronttruppen diente, stark einschränkte.
Der Gouverneur von Maubeuge, Generalmajor Karl von Martini, wohnte an der Place Verte. Er sorgte dafür, dass die Entscheidungen des Generalgouverneurs von Belgien umgesetzt wurden. Dessen Anordnungen von Beschlagnahmungen, Einschränkungen und sonstigen Verpflichtungen wurden mit Hilfe von französisch- und deutschsprachigen Aushängen bekanntgegeben.
Am 12. Juli 1916 wurde der Status von Maubeuge und seiner Region von dem eines Besatzungsgebietes in den eines Etappenbezirkes unter der Führung von Generalmajor Friedrich von Buddenbrock geändert. Maubeuge unterstand nun direkt den Anordnungen der 2. deutschen Armee, deren Dienststellen von Saint-Quentin nach Maubeuge verlegt wurden.
Es herrschte eine strenge Informationskontrolle. Das Propagandablatt La Gazette des Ardennes war die einzige zugelassene Zeitung. Die Zivilbevölkerung wurde zu Zwangsarbeiten verpflichtet, Maschinen und Produktionserzeugnisse aus Industrie und Landwirtschaft inventarisiert und für Kriegszwecke beschlagnahmt.
Am Place d’Armes, dem neuralgischen Zentrum von Maubeuge unweit des aktuellen Platzes Place des Nations, hielten die Deutschen Konzerte und Feste ab. Deutsche Musiker, Vertreter der Kulturpropaganda, präsentierten hier im Wesentlichen Werke deutscher Komponisten. Die Künstler traten insbesondere anlässlich der jährlichen Geburtstagsfeier von Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar auf.
Am 6. November 1918 verließen die deutschen Truppen im Zuge des Vorstoßes der Briten Maubeuge endgültig und sprengten die Brücken der Stadt.
Am Vormittag des 9. Novembers gegen 9 Uhr früh erreichten die britischen Befreier der Guards Division Maubeuge, wo sie unter ausgelassenem Jubel von den Bewohnern empfangen wurden.
Am 14. November 1918 wurde die offizielle Befreiungszeremonie am Place d’Armes abgehalten. Dem britischen General Sir Torquhil Matheson wurde bei dieser Gelegenheit ein Ehrenbanner als Zeichen der Dankbarkeit verliehen. Matheson war zutiefst gerührt und ließ daraufhin eine Gedenkschale aus vergoldetem Silber herstellen. Diese Schale wurde der Stadt Maubeuge am 9. Juni 1919 als Symbol für die Freundschaft und Brüderlichkeit zwischen zwei vom Krieg schwer gezeichneten Nationen überreicht.
Im Oktober 1914 verfestigte sich die Front zwei Kilometer vor Armentières, das sich somit in Reichweite der deutschen Artillerie befand. Der Frontabschnitt lag 20 Kilometer südlich von Ypern, wo große Operationen durchgeführt wurden, und galt als ruhig. Er wurde auch „The Nursery“ (Säuglingsstation) genannt, weil hier die neu an der Front eintreffenden Einheiten der britischen Armee auf den Grabenkampf vorbereitet wurden.
Zwei Jahre lang arbeiteten die Fabriken in Armentières weiter. Dann jedoch nahmen die Bombardements zu, Kampfgase wurden eingesetzt und die Bevölkerung verließ nach und nach die Stadt. Alle übrigen Zivilisten wurden am 13. August 1917 während der
3. Flandernschlacht evakuiert.
Am 9. April 1918 lancierte die deutsche Armee im Rahmen ihrer Frühjahrsoffensive die Operation Georgette, mit der sie die Kontrolle über die Landungshäfen der Briten an der Küste Nordfrankreichs gewinnen wollte, und löste damit die 4. Flandernschlacht aus. Am 11. April eroberten die Deutschen Armentières. Als sie sich am 2. Oktober wieder aus der Stadt zurückzogen, zerstörten sie jegliche Infrastruktur, die den Alliierten irgendwie hätte dienlich sein können, darunter als Symbol der Wehrhaftigkeit der Stadt auch den Belfried, der vier Kriegsjahre unbeschadet überstanden hatte.
Zu Kriegsende war Armentières zu 75% zerstört:
4800 Gebäude sowie sämtliche Kirchen und öffentliche Gebäude lagen in Schutt und Asche, weitere 2400 Häuser waren schwer beschädigt.
Der Wiederaufbau der Stadt wurde dem Architekten Louis-Marie Cordonnier anvertraut. Er entwarf die Pläne für das Rathaus, die Kirche Saint Vaast sowie für die Markthalle (heute das Kulturzentrum Le Vivat), die alle an der Grand’ Place liegen, auf der sich auch das Kriegerdenkmal befindet.
Mit seiner durch Ziegel, Mauerstein und Hochgiebel charakterisierten regionalistischen Architektur läutete Cordonnier,
wie auch in Bailleul, Comines, Merville und Laventie, „die flandrische
Renaissance“ von Armentières ein.
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Vor dem Hintergrund des notwendigen Wiederaufbaus der kriegszerstörten Kommunen führte das Gesetz Le Cornudet
1919 die Prinzipien des modernen Städtebaus in Frankreich ein. So verpflichtete es alle Städte mit mehr als 10.000
Einwohnern einen Flächennutzungs- und Stadtentwicklungsplan auszuarbeiten, der Fragen wie die Verkehrswegeleitung sowie
die Wasserver- und Abwasserentsorgung regelte.
Mit der Rückkehr der geflohenen Einwohner bekam die Notwendigkeit des Wiederaufbaus eine ebenso handfeste wie symbolische Bedeutung. Pro Monat strömten im Durchschnitt 1000 Bewohner zurück nach Armentières, das nun einen Neuanfang
bewerkstelligen musste.
Privaten Bauherren schrieb das Gesetz Le Cornudet die Einhaltung des Bebauungsrasters und der Parzellierung der Vorkriegszeit vor (sofern diese nicht durch moderne städtebauliche Bebauungspläne
abgelöst wurden), die Architektur selber konnte frei gewählt werden. Die Architekten, die mit dem Wiederaufbau der Häuser in der Rue de Lille betraut wurden, verband eine Vorliebe für die regionalistische Architektur. Ihrer Kreativität verdankt die Straße das originelle Erscheinungsbild: Auch wenn die Ziegelbauweise dominiert, machen die unterschiedlichen Formen der Giebel, die
Steinornamente, Kunstschmiedearbeiten sowie die Fenster- und Türrahmen aus jeder Fassade ein Unikat.
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Ernest Deceuninck, Jahrgang 1877, war Handelsvertreter in Chapelle d’Armentières, als der Krieg ausbrach. Im besetzten Lille schloss er sich dem Fluchthelfer- und Spionagering „Comité Jacquet“ an. Gemeinsam mit Eugène Jacquet, Georges Maertens und Sylvère Verhulst unterhielt Deceuninck ein Netzwerk, das vor
allem alliierten Soldaten bei der Flucht aus feindlichem Territorium half.
Am 11. März 1915 wurde der englische Flieger Oberleutnant Mapplebeck in der Region Lille abgeschossen. Mit Hilfe des Comité Jacquet konnte er sich jedoch vor den Deutschen in Sicherheit bringen. Im folgenden Juni warf derselbe Pilot über Lille Flugblätter ab, die sich über den deutschen Gouverneur General von Heinrich lustig machten. Infolge eines Verrats wurden daraufhin 200 Mitglieder des Comité Jacquet festgenommen. Am 21. September
1915 wurden Jacquet, Maertens, Deceuninck und Verhulst zum Tode verurteilt und im Morgengrauen des Folgetages in den Gräben
der Zitadelle von Lille erschossen.
Am 22. März 1930 wurde der Leichnam von Deceuninck gemäß seinem letzten Willen nach Armentières gebracht und dort auf dem städtischen Friedhof unter dem Denkmal zu Ehren der Toten bestattet. Am 11. November des Folgejahres weihte die Stadt das Ernest Deceuninck gewidmete Denkmal ein. Es zeigt ihn einige Augenblicke vor seiner Erschießung – den Rücken zur Wand und die Brust freigelegt –, in stolzer Haltung.
Am Eingang der Zitadelle von Lille ehrt das Denkmal für die hingerichteten Einwohner Lilles die vier Leiter des Comité Jacquet in ähnlicher Pose: Tod zu ihren Füßen liegt der junge Léon Trulin, ein weiterer Kopf des Widerstandes in den besetzten Gebieten des 1. Weltkriegs.
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Am 2. August 1914 zählte die Öffentliche Anstalt für psychatrische Erkrankungen (Asile Public Autonome) von Armentières fast 1300 Patienten, 3 Ärzte, 3 Assistenzärzte und 74 Pfleger. Alsbald nach ihrem Einzug in die Stadt positionierte die britische Armee ihre Artillerie in den Gemüsegärten der Einrichtung, die in Frontnähe am Rande der Stadt lag. Aufgrund zahlreicher Bombardements wurden die Patienten am 31. Oktober 1914 evakuiert, zunächst zum Bahnhof von Nieppe und von dort mit dem Zug über Rouen, Tours und Bordeaux bis nach Cadillac.
Die Nähe zur Gefechtszone erklärt, warum die Anstalt 1918 komplett in Trümmern lag. Ihr Wiederaufbau im flandrischen Stil begann 1921. Inmitten einer weitläufigen, mit Bäumen bestandenen Fläche liegen Einzelgebäude mit benachbarten Gemeinschaftsflächen sowie technische Versorgungseinrichtungen wie Bäder, ein Festsaal, Ateliers oder ein Bauernhof zur Versorgung des Krankenhauses.
Seit seiner Gründung im Jahr 1615 hat das Zentrum seine Funktion als Krankenhaus beibehalten, heute als öffentliche psychatrische Klinik „EPSM Lille-Métropole“ (Établissement Public de Santé Mentale).
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Das Denkmal befindet sich im Hof eines Gebäudes, das die Bewohner von Armentières „la Goutte de Lait“ (der Milchtropfen) nennen. Das Haus steht an der Stelle des ehemaligen Stadtpalais der Familie Mahieu, der 1914 mehrere Spinnereien in Armentières gehörten. Es wurde von Madame Mahieu, der Mutter der beiden auf der Statue dargestellten, im Krieg gefallenen Männer, dem Kinderschutz gestiftet.
Auguste Mahieu, geboren 1887, gehörte dem 56. Jagdbataillon zu Fuß an, das Anfang 1916 den Befehl erhielt, den Wald von Caures im Département Meuse zu verteidigen. Am 22. Februar wurde Auguste am zweiten Tag der französischen Offensive bei Verdun durch eine Granate getötet. Sein Name ist in der Halle des Beinhauses von Douaumont verzeichnet.
Sein Bruder Michel, geboren 1891, war ein Pionier der Luftfahrt und hatte 1911 den Höhenweltrekord als Pilot eines Doppeldeckers mit einem Passagier erreicht. Als Kommandant der Fliegerstaffel „les Chouettes“ (die Eulen) zählte Hauptmann Michel Mahieu zu den französischen Fliegerassen des 1. Weltkriegs. In der Nacht vom 2. auf den 3. März 1918 wurde er im Département Somme erschossen, nachdem sein Flugzeug über den feindlichen Linien vom Himmel geholt worden war.
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Maurice Debosque, 1878 in Armentières geboren, folgte seinem Vater 1909 an die Spitze eines Bauunternehmens. Als einer der
ersten kehrte er nach dem Waffenstillstand im November 1918 nach Armentières zurück. Dort begann er sofort damit, eine Mannschaft zusammenzustellen, die die Ruinen in der Stadt beseitigte und beim Aufbau öffentlicher Gebäude wie dem Rathaus, der Kirche Saint Vaast und dem Denkmal zu Ehren der Toten half.
Debosques Hauptwohnsitz war ein großes Anwesen im anglonormannischen Stil, das „Château Debosque“, erbaut aus Back- und Naturstein und mit einem Dach aus alten Biberschwanzziegeln. Die Innenaustattung spiegelte das Können der Handwerker Armentières wider. 1972 richtete sich die Stadtbibliothek in dem Gebäude ein, überließ es 2007 jedoch anderen Einrichtungen der Gemeinde.
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Um die Anerkennung der französischen Nation für ihre Opfer auszudrücken, gestand der Staat mit dem Gesetz vom 29. Dezember 1915 jedem „für Frankreich Gefallenen (Mort pour la France) “ das Recht auf ein individuelles, zeitlich unbegrenztes Grab auf einem Militärfriedhof oder in einem entsprechend ausgewiesenen Bereich auf zivilen Friedhöfen zu. Angesichts der vielen Gefallenen verzichtete das Gesetz auf die Übergabe der Toten an ihre Familien, da der dafür notwendige logistische Aufwand zu Ungunsten der Versorgung der Fronttruppen gegangen wäre.
Aufgrund der hohen Zahl heimlicher Exhumierungen gestattete die Regierung ab 1920 die Übergabe der Leichen an ihre Familien, sofern das gewünscht wurde. Unter der Kontrolle des Ministeriums für Kriegspensionen, -prämien und -beihilfen wurden in der Folge zirka 250.000 Leichname übergeben.
Von den 1085 zwischen 1914 und 1918 Gefallenen aus Armentières wurden 158 Leichname oder ihre Überreste in einem dafür vorgesehenen Bereich links des Eingangs des städtischen Friedhofs beerdigt.
Im Zentrum des Friedhofs befindet sich ein Denkmal zu Ehren der Toten des 1. Weltkriegs, unter dem 1930 die Überreste von Ernest Deceuninck bestattet wurden, der in den Reihen des Comité Jacquet im Widerstand gegen die deutschen Besatzer aktiv war.
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Das Gustave Eiffel Gymnasium wurde 1882 als staatliche Fachschule gegründet und während des Krieges von der britischen Armee genutzt. Im Frühjahr 1915 dienten ihre Werkräume der Herstellung von Handgranaten, Granatwerfern und Periskop-Gewehren. Tag und Nacht arbeiteten hier 300 Zivilisten und etwa 30 englische Militärs unter der Leitung von Hauptmann Newton und
den Vorarbeitern der Schule. Die Schlaf- und Klassenräume wurden als Krankenstationen genutzt, die Labore und Versuchsräume für medizinische Untersuchungen. In den Zeichensälen wiederum wurde das Kartenmaterial des Generalstabs vervielfältigt.
In den Küchen der Einrichtung wurden pro Monat 2-3000 Essensrationen für die Einwohner von Armentières zubereitet. Ab August 1915 wurde der Artilleriebeschuss intensiver und führte ab März 1916 zur kompletten Räumung der Schule.
122 mobilisierte Schüler der Schule wurden im Krieg getötet. Andere, wie der Held der französischen Luftwaffe, Charles Nungesser, gelangten zu Ruhm.
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Nach Eintreffen der britischen Truppen in Armentières im Oktober 1914 wurde ein Friedhof zur Bestattung der Männer eingerichtet, die ihren Verletzungen im nahegelegenen Militärkrankenhaus und anderen Pflegeinrichtungen der Stadt erlagen. Der Friedhof wurde
am Rande der 1909 dank einer Schenkung des Richters Georges
Bonjean erbauten Siedlung mit 50 Unterkünften für die Arbeiter der Stadt angelegt.
Mehr als 2100 Soldaten der britischen Armee ruhen in der Grabstätte neben 500 deutschen Soldaten, die größtenteils während der 4. Flandernschlacht im Frühjahr 1918 gefallen waren.
Ebenfalls auf dem Gelände befindet sich das Cité Bonjean New Zealand Memorial. Verziert mit einem in den Stein gehauenen Farnzweig ehrt das Denkmal das Andenken an die 48 neuseeländischen Offiziere und Soldaten, die bei Armentières gefallen sind und als verschollen gelten. Es ist eines von sieben neuseeländischen Gedenkstätten zu Ehren der an der Westfront in Belgien und Frankreich verschollenen „Kiwis“.
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Während des 1. Weltkrieges eröffneten mehrere meist religiöse Vereine Stätten, in denen Soldaten Halt und Zuspruch bei Gesprächen, Spielen oder im Gebet finden konnten. 1915 unterhielt die Young Men’s Christian Association (YMCA) zwei Zentren in Armentières, eines im Eiffel-Gymnasium, das andere im EPSM.
Das Personal bestand aus Freiwilligen. In dem Zentrum im Eiffel Gymnasium arbeitete 1917 der australische Schwimmmeister, 6-malige Olympiasieger, Inhaber von 14 Weltrekorden und ab 1940 Bürgermeister von Melbourne, Franck Beaurepaire.
In der Nähe des Boulevard Faidherbe unterhielt der YMCA auch eine Unterkunft für die Eltern schwerverletzter Soldaten. In den 1920er Jahren wurde das Gebäude für die Unterbringung von Familienangehörigen der Gefallenen genutzt, die im Sektor Armentières bestattet worden waren.
In dieser Zeit wurde die rue Sadi-Carnot wieder aufgebaut, unter anderem mit einigen Stadtpalais lokaler Industriemagnaten. Unter der Federführung vor allem der Architekten Charles Bourgeois und Jean-Baptiste Maillard wurden hier Elemente des Art Nouveau, des Art Déco sowie des flandrischen Regionalismus zu einem sehenswerten eklektizistischen Ensemble zusammengeführt.
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Während des Krieges wurde das Stadtzentrum von Béthune zu 90 Prozent zerstört: Im Mai 1918 detonierten mehr als 70.000 Granaten in der Stadt, die die Deutschen wegen ihrer strategischen Lage erobern wollten. Der aus dem Mittelalter stammende Belfried
überstand die Bombardements dank des Schutzes der umliegenden Häuser nur mit Rissen und zerstörtem Dach. Er sollte als Zeuge der deutschen Gräueltaten in diesem Zustand gelassen werden, wurde letztendlich aber doch restauriert. Das neue Glockenspiel wurde am
6. Oktober 1929 eingeweiht. Auf dem Bassregister ist zu lesen (übersetzt):
„WACHSAM IST MEIN NAME. Ich ersetze Joyeuse, die im Krieg zerstört wurde, und von der Spitze des restaurierten Turms läute ich für den Frieden, für den Ruhm und die Zukunft des wiederaufgebauten Béthune.“
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Die von der Union der Französischen Frauen geleitete Jungenschule beherbergte ab dem 8. August 1914 das Feldlazarett 103. Es zählte 50 Betten, wurde jedoch am 8. November 1914 nach einem Artilleriebeschuss wieder geschlossen. Die britischen Sanitätstruppen nahmen den Betrieb am 6. Oktober 1915 wieder auf. Die weiterhin im College wohnenden Schüler mussten sich auf den Ernstfall vorbereiten und mit ihren Taschenlampen den Weg in den Keller meistern sowie ihre Gasmasken benutzen können. Nach der Bombardierung im August 1916 wurden sie nach Bruay-en-Artois ausquartiert, um bis zum Ende des Kriegs Platz für die britischen Truppen zu machen.
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Das Theater wurde 1912 eingeweiht und war unter britischen Truppen ein beliebter Veranstaltungsort. Da es nahe ihrer Quartiere lag, waren spätnachmittags an den Wochentagen häufig alle 1.200 Sitzplätze belegt, nie jedoch am Sonntag. Am häufigsten stand das Ensemble Pierrots mit Varieté und Revuen auf dem Spielplan. Im Petit Théâtre du Jeu de Paume oder Palladium an der Place Foch spielten The Francies ihrerseits British Rubbish. Das Theater wurde vom Architekten Guillaume erbaut und bedurfte nach dem Krieg nur einiger Restaurierungen, die von Paul Degez durchgeführt wurden.
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1915 bezieht das Buckinghamshire Regiment in dem ehemaligen Collège Quartier und vermeldet: „DieOffiziere sind in nahe gelegenen Privathäusern untergebracht. Das Collège ist gut ausgestattet: Die Soldaten können eine Küche sowie Badewannen und Duschen nutzen. Viele Bewohnerinnen von Béthune sind zum Saubermachen und Bügeln der Kleidung angestellt.“ Andere Regimenter wie das 17. Middlesex Regiment, ein Bataillon berühmter Fußballspieler, machten bei Truppenverlegungen Halt in der Schule.
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Ab November 1914 wurden die indischen Soldaten in diesem 12 Kilometer von der Front entfernten Lazarett versorgt. Die 33. Casualty Clearing Station (C.C.S) richtete sich hier für
zwei Jahre ab September 1915 ein.Während des Krieges musste
das Collège aufgrund von Bombenangriffen wiederholt evakuiert werden, etwa im Mai 1915 oder Juni 1916. Im Lazarett befand sich ein gut ausgestatteter Operationssaal mit mikrobiologischem Labor,
eine Röntgenstation, auf der viele große Namen der Medizin wirkten, Schlafsäle für die Verletzten sowie komfortable Duschbäder, die manchmal von mehr als 800 Männern pro Tag genutzt wurden. Die Schüler lebten mit den Soldaten unter einem
Dach, so dass sie abends in ihren Betten im Untergeschoss deren Schmerzensschreie hören konnten.
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Am 10. Oktober 1914 zog sich die französische Armee Richtung Arras zurück. Nach Absprache zwischen General Foch und Marschall French übernahm die britische Armee vier Jahre lang die Verteidigung von Béthune.
Der erste britische Soldat wurde am 14.
Oktober desselben Jahres auf dem Friedhof begraben – am Jahrestag der Schlacht von Hastings, der Partnerstadt von Béthune. Ein Großteil der hier Bestatteten starb in den englischen Lazaretten, die in den Schulen der Stadt eingerichtet wurden. Ein Bereich rechts des Eingangs war für die Briten reserviert, reichte jedoch schon bald nicht mehr aus.
Der hintere Bereich des Friedhofs füllte sich im Laufe des Krieges. Die Inschriften auf den chronologisch aufgestellten Gräbern zeugen sowohl vom Ausmaß der Kämpfe in der Region (Festubert, Givenchy-lès-la-Bassée…) als auch von der Ausdehnung des britischen Kolonialreichs. In den letzten Gräbern ruhen die 26 Soldaten und Offiziere des Manchester Regiment, die am 22. Dezember 1917 auf dem Boulevard Kitchener von einer einzigen Fliegerbombe getötet wurden.
Der von Edwin Luytens entworfene Friedhof beherbergt die Gräber von 2.923 britischen, 122 französischen und 87 deutschen Soldaten.
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Das Denkmal zu Ehren des 73. und 273. Infanterieregiments sowie des 6. Territorialen Infanterieregiments wurde vom Architekten René Deligny und vom Bildhauer Paul Graf errichtet. Auf einem Sockel thront
Minerva, Göttin der Kriegsführung, eine Fahne in Händen. Zu ihren
Füßen befinden sich die Wappen der Städte Aire-sur-la-Lys, Hesdin
und Béthune. Das Denkmal wurde am 28. Mai 1933 im Beisein des
Bürgermeisters Alexandre Ponnelle und der Offiziere und Soldaten
der nach dem Ersten Weltkrieg aufgelösten Regimenter von Béthune
eingeweiht.
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Adrien Bonnefoy-Sibour war seit dem 12. Januar 1914 Unterpräfekt
von Béthune und erfüllte seine Aufgaben stets mit Mut und kühlem
Kopf. Am 12. April 1918 ordnete er die Evakuierung der Stadt an,
blieb aber selbst mit zirka 50 unbeugsamen Bewohnern vor Ort.
Der Stadtrat suchte unterdessen Zuflucht in Berck-sur-Mer. Am 28. Dezember 1919 empfing der Unterpräfekt Präsident Raymond
Poincaré zur Auszeichnung der Stadt mit dem Kreuz der Ehrenlegion
und dem Kriegsorden.
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In der Nähe eines militärischen Übungsgeländes auf dem Marsfeld gelegen (heute ein Sportzentrum), diente die Kaserne als Sammelpunkt der Mobilmachung. Die Kasernen Lafeuillade und Montmorency sowie die Schulen der Stadt waren ebenfalls zu diesem Zweck abbestellt. Die jüngsten Rekruten wurden dem 273. Infanterieregiment, die älteren dem 6. Territorialregiment zugeordnet. Einmal rekrutiert, begaben sich die Soldaten im Tross zum Bahnhof.
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Am 18. September 1920 um 18.40 Uhr erhielt die Stadt Béthune
ein Telegramm der British League of Help: Bristol wolle Partnerstadt
werden und beim Wiederaufbau helfen. Zahlreiche britische Soldaten waren in Béthune einquartiert gewesen und der Stadt verbunden geblieben. Fast 70.000 Soldaten hatten sich in Bristol bei den Truppen gemeldet, Millionen Waffen und Munition wurden von hier aus nach Frankreich verschifft. Trotz einer schweren lokalen Wirtschaftskrise trugen britische Spendenaktionen zum Bau der Cité Bristol bei, die am 24. März 1925 auf dem Marsfeld eingeweiht, 1968 jedoch wieder abgerissen wurde.
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Das Krankenhaus behandelte Zivilisten ebenso wie Militärs verschiedener Nationalitäten (Franzosen, Briten, Deutsche). Da es regelmäßig Artilleriebeschuss ausgesetzt war, wurden die Verletzten nach Saint- Omer oder Berck-sur-Mer verlegt. Nur die
Schwerverletzten wurden hier weiter von Ärzten und Franziskanerschwestern gepflegt. 1917 wurde das Krankenhaus endgültig evakuiert und öffnete erst wieder im April 1919. Zwei der ehemaligen Gebäude sind noch an der Rue Boutleux zu sehen. Die
Kapelle Saint Pry wurde anlässlich des Wiederaufbaus errichtet.
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Die Kaserne Montmorency befand sich am Ort der heutigen École Sévigné und des Gemeindesaals François Albert. Sie diente britischen Truppen als Quartier. Robert Graves von den Royal Welsh Fusiliers berichtete nach seiner Rückkehr aus den Schützengraben der Ferme des Briques in der Region Cambrin in seinem Buch Good-Bye to All That:
„Wir verbrachten die Nächte mit der Wiederherrichtung der beschädigten Schützengräben. Morgens
wurden wir von den Middlesex geweckt, die zur Erholung in der Mädchenschule einquartiert waren, und kehrten nach Béthune zurück, wo wir unser weniges Gepäck in der Kaserne Montmorency
abluden…“.
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Das Denkmal wurde von Jacques Alleman und dem Bildhauer Edgar Boutry dank einer Spendenaktion erbaut. Der von Pyramidenpappeln umgebene Gedenkstein zeigt die Göttin Minerva. Die verschleierte Frauengestalt verkörpert die Freiheit, ihre Kleider aus Stein symbolisieren das Leid. Ein Lorbeerkranz steht für den militärischen
Triumph, die Palmenzweige für das Heldentum der für die Heimat gestorbenen Soldaten.
Das Denkmal wurde am 11. November 1928 eingeweiht. Die Festrede des damaligen Bürgermeisters Alexandre Ponnelle
verdeutlicht die damalige Geisteshaltung:
„Heute fügt Béthune dem Gedenken eine noch feierlichere Huldigung hinzu durch die Einweihung eines Denkmals, das zukünftige Generationen bis in die Ewigkeit an das erhabene Opfer ihrer Vorfahren erinnern soll… Die unterdrückten Nationen werden ihren Blick immer auf Frankreich richten, das auf ewig die Bewahrerin von Recht und Gerechtigkeit bleiben wird.“
In der Nähe des Denkmals befand sich das britische Hauptquartier, das heute nicht mehr steht.
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Die Kirche aus dem 16. Jahrhundert wurde während des Krieges vollständig zerstört. Während der Aufräumarbeiten im Juni
1919 qualmten ihre Ruinen noch. Louis-Marie Cordonnier baute die Kirche zwischen 1924 und 1927 im neugotischen Stil mit
byzantischen und Art-déco-Einflüssen wieder auf. DieMöblierung wurde mit Hilfe von Spendenaktionen des Erzpriesters Pruvost
finanziert. Besondere Beachtung gilt einer Tafel zum Gedenken der Zivilisten im Chor, einem Denkmal zur Erinnerung an die Hilfe des
Britischen Königreichs im nördlichen Querschiff sowie der Kapelle der Barmherzigen, die die Verstorbenen während des Krieges
bestatteten.
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Nachdem die Stadtverwaltung das Projekt des regionalistischen Architekten Louis-Marie Cordonnier für den Wiederaufbau des Rathauses abgelehnt hatte, schrieb sie 1926 einen Wettbewerb aus, an dem sich elf Kandidaten beteiligten. Aus ihren Reihen wählte sie Jacques Alleman aus, obwohl dieser denWettbewerb nicht gewonnen hatte. Er wurde zunächst verpflichtet einen Bericht zu grundsätzlichen ästhetischen Fragen zu erstellen. Nach vielen Diskussionen entschied sich die Stadt für denselben Standort wie vor dem Krieg, also für ein winziges Grundstück. Jaques Alleman passte die Entwürfe der Architektur des Platzes an. Die Fassade versah er neben dem Stadtwappen mit den Auszeichnungen der Ehrenlegion und des Kriegskreuzes, die der Stadt am 28. Dezember 1919 durch Präsident Raymond Poincaré in Anerkennung ihrer Opfer verliehen wurden. Die Einweihung fand am 7. April 1929 statt. Der
Bürgermeister Alexandre Ponnelle evozierte mit großer Begeisterung die Wiedergeburt der Stadt und sprach von „einem Bauwerk von Größe und Schönheit“. Das Rathaus, das seit April 2002 unter
Denkmalschutz steht, ist eines der schönsten Bauwerke des Art déco in der Region.
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Der Wiederaufbau von Béthune wurde durch das Gesetz von Cornudet geregelt, das alle Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern verpflichtete, einen Plan zur Flächennutzung und
Stadtentwicklung zu erarbeiten. Das Prinzip des Architekten Mulart war einfach und sah einen Wiederaufbau zwischen Tradition und Moderne vor: Der Verkehr innerhalb der Stadt sollte durch die Erweiterung oder den Neubau von Straßen entlastet werden, wobei er die mittelalterlichen Stadtteile erhalten wollte. Die Grand’Place stand im Zentrum der Aufmerksamkeit. Jeder Architekt brachte hier seine persönliche Note mit ein, so dass der Platz architektonisch etwas zusammengestückelt wirkt. Moderne Materialien und reiche Verzierungen lassen den Eindruck einer Theaterkulisse unter freiem Himmel entstehen: Roter Backstein undTreppengiebel erinnern an den regionalistischen Stil,während die einfachen und schlichten Baukörper und die zahlreichen geometrischen Motive den Art déco repräsentieren.
Während des Krieges wimmelte der Platz von Soldaten aus dem gesamten britischen Empire: Schotten, Kanadier, Inder, Australier… in Béthune herrschte englisches Lebensgefühl. Zur Entspannung ging man regelmäßig ins Café Globe. Die Soldaten waren damals häufiges Fotomotiv – sie posierten vor den Geschäften und in den Ruinen der Stadt oder ließen sich bei Sicherheitskontrollen ablichten. König George V. besuchte Béthune mehrmals, um seine Truppen zu inspizieren und das Ausmaß der Bombenschäden zu begutachten.
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Der Name von Neuve-Chapelle steht neben denen vieler weiterer Schlachten eingraviert auf dem beeindruckenden Ehrenmal für die 4847 im 1. Weltkrieg verschollenen Soldaten des indischen Korps der britischen Armee. Das Ehrenmal ist das Werk des Architekten Sir Herbert Baker und wurde am 7. Oktober 1927 eingeweiht. Das runde Bauwerk wird an einer Seite von einer perforierten Mauer begrenzt, gesäumt von Skulpturen der Insignien der indischen Armee; das andere Halbrund umgibt eine Mauer, auf der die Namen der verschollenen Soldaten verzeichnet sind. In der Mitte des Mauerkreises befindet sich eine von zwei Tigern flankierte Säule, auf deren Spitze eine Lotusblüte, die Krone des Britischen Weltreiches sowie der Stern Indiens thront und an deren Fuß die
Namen der Schlachten eingraviert sind. Zu sehen ist zudem der Schriftzug God is one, His is the victory in Englisch, Arabisch, Hindi
und Gurmukhi. Jeden November ist die Gedenkstätte Schauplatz eines wichtigen Ehrengedenkens.
Anfang Oktober 1914 erreichte der Krieg den Landstrich zwischen Béthune und Armentières. Schnell rückte das Dorf Neuve-Chapelle in den Mittelpunkt der Kampfhandlungen. Am 28. Oktober 1914 setzte das britische Militär das indische Korps in den Kämpfen um das Dorf ein, das aber in deutscher Hand blieb. Am 10. März 1915
unternahm die 1. britische Armee einen erneuten Versuch, das Dorf sowie den Höhenzug von Aubers einzunehmen, um so einen Durchbruch in Richtung Lille zu schaffen. Der Angriff kam vom Standpunkt des Ehrenmals aus gesehen auf einer drei Kilometer nach Norden reichenden Linie zum Stehen. Die Briten mobilisierten 340 Geschütze und zwei Armeekorps mit zirka 40.000 Mann.
Nach einem 35-minütigen Trommelfeuer griff das indische Korps die dem heutigen Ehrenmal gegenüberliegenden Schützengräben an. Das 4. britische Korps attackierte weiter im Norden. Gegen 10 Uhr war das Dorfzentrum erobert. Verschiedene Widerstandsnester sowie deutsche Verstärkungstruppen verhinderten jedoch einen Ausbau des anfänglichen Erfolges. Drei Tage lang reihten sich Angriffe auf Gegenangriffe. Am Ende kostete die Eroberung eines 800 Meter tiefen Landstreifens das Leben von fast 13.000 Briten und ebenso vielen Deutschen.
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1924 beschloss Portugal die Einrichtung eines Militärfriedhofes in dem Gebiet, das 1917 von seinen Truppen gehalten wurde und im Mittelpunkt der deutschen Offensive vom9. April 1918 lag. Hier ruhen die Überreste von 1831 an derWestfront getöteten Portugiesen. Jedes Jahr im April wird ihrer mit einer Zeremonie gedacht.
Im Februar 1917 landete das portugiesische Expeditionskorps unter General Tamagnini in Brest an, um die alliierten Truppen zu unterstützen. In einem Trainingslager in Marthes bei Aire-sur-la-Lys im Pas-de-Calais wurden seine in zwei Infanteriedivisionen aufgeteilten 55.000 Mann im Grabenkampf sowie der Handhabung von Gasmasken trainiert. Die britische Armee, von der die Portugiesen ihre Bewaffnung und Helme erhielten, setzte sie anschließend in ihren Frontabschnitten ein. Im April 1917 erreichten
die ersten portugiesischen Einheiten die Front im Sektor von Neuve-Chapelle, der seit den blutigen Schlachten der Jahre 1914
und 1915 relativ ruhig geblieben war. Dort entdeckten einige portugiesischen Soldaten eine beschädigte Christusfigur, die sie in der Hoffnung auf Gottesschutz in ihrer Stellung aufrichteten.
Der portugiesische Sektor wurde bis nach Fauquissart ausgedehnt, seine Befehlsstände waren in Laventie, La Gorgue, Lestrem und Saint-Venant. Am 8. April erhielt die 2. portugiesische Division den Befehl, sich auf ihre Ablösung am Folgetag vorzubereiten. Doch im Morgengrauen des 9. April eröffnete ein fürchterliches Artilleriefeuer
die Frühjahrsoffensive der Deutschen im Departement Nord mit dem Ziel, die britischen Linien zu überrennen und denWeg nach Calais frei zu machen. Das Zielgebiet lag zwischen Givenchy und Bois-Grenier und wurde vomportugiesischen Korps sowie geschwächten britischen Divisionen gehalten. Der 6. deutschen Armee gelang es, die Front zu durchbrechen und alle Widerstandsnester zu eliminieren. Eine große Zahl portugiesischer
Soldaten geriet in Gefangenschaft oder wurde in die Flucht geschlagen. Nur in Givenchy gelang es der 55. britischen Division die Deutschen aufzuhalten.
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Ab 1914 hielten die Deutschen den Sektor von Piètre besetzt. Von einem Ausguck auf einer hohen Pappel aus observierten sie die britischen Linien, die in der Nähe der Kirche von Fauquissart entlangführten. Die Landschaft in diesem Sektor ist charakteristisch für den Frontabschnitt im Bas-Pays. Das flache und feuchte, teils sumpfige und von vielen Wassergräben durchzogene Terrain ließ nur den Bau von flachen Schützengräben zu, die mit Brustwehren aus Erdsäcken verstärkt wurden. Die Deutschen bauten zudem betonierte Unterstände. Einer davon, halb in die Erde gegraben, befindet sich nahe des Flüsschens Les Laies. Eine Treppe führt auf einen Flur, von dem drei Räume abgehen. Die vorhandenen technischen Anlagen lassen darauf schließen, dass der Unterstand über eine Pumpe verfügte, die das Wasser aus den Gräben in das Flüsschen beförderte.
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Der Weg ist in diesem Abschnitt nicht mehr gekennzeichnet, es wird geraten, den Wegweisern der Commonwealth War Graves Commission zu folgen.
Nachdem die Schlacht an der Somme ab dem 1. Juli 1916 voll ausgebrochen war, befahl der britische General Haig einen Ablenkungsangriff im Frontabschnitt von Fromelles gegenüber dem
Höhenzug von Aubers. Um 18 Uhr des 19. Juli 1916 gingen die unterbesetzte 61. britische Division und die unerfahrene 5. australische Division zum Angriff über. Die Operation scheiterte. Alleine die Australier konnten vorübergehend die vorderste
Linie der Deutschen erobern. Die Verluste waren erschreckend: 1557 englische und fast ebenso viele deutsche Soldaten fielen. Am Ende ihres ersten Einsatzes an der Westfront hatten die Australier
5533 Opfer zu beklagen. Der 61. Division wird mit einer Gedenktafel am Rathaus von Laventie gedacht, wo sie untergebracht war.
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Die Zugänge zu den Laufgräben, die zu den vordersten Linien der Briten führten, befanden sich etwa einen Kilometer vomSchlachtfeld von Neuve-Chapelle entfernt in der Nähe der rue du Bacquerot. In einem Bauernhof war ein Feldlazarett für die Erstversorgung der Verletzten aus den Schützengräben untergebracht. Transportfähige
Verwundete wurden zu den Casualty Clearing Stations nach Estaires oder Merville weitergeleitet. All jene, die ihren Verwundungen im Feldlazarett erlagen, wurden auf einem Friedhof nebenan bestattet. Die 1914 und 1915 gefallenen indischen Soldaten wurden in einem gesonderten Bereich des Friedhofs begraben.
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Viele der Soldaten, die seit der Schlacht am Wildschweinkopf am 30. Juni 1916 hier ruhen, gehörten zum Royal Sussex Regiment. Der Name der Schlacht bezieht sich auf einen deutschen Vorposten in der Nähe der rue du Bois und des indischen Ehrenmals, der 1915 im Zuge der Schlacht von Festubert errichtet worden war. Die Operation des 30. Juni 1916 war als Ablenkung von der Sommeschlacht gedacht, die am Folgetag starten sollte. Die 39. Division sollte die vorderen Linien der Deutschen erobern. Nach einigen Stunden mussten sich die Sturmtruppen jedoch wieder zurückziehen. Die Verluste waren groß: mehr als 1000 Mann fielen. Die meisten Verwundeten wurden in dem Bauernhof neben dem Friedhof notversorgt.
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1914 gab es hier zwei unterschiedliche Gemeinden: durch Richebourg l’Avoué verlief die Front, Richebourg Saint Vaast lag im Rücken der alliierten Stellungen. In den Ansiedlungen hinter der Front, wie zum Beispiel Bout de Ville, lebten weiterhin Menschen inmitten von Soldaten und wurden oft Opfer der Gräuel des Krieges. Nach dem Waffenstillstand versuchten die Bewohner gemeinsam, ihre Dörfer in der verwüsteten Landschaft wiederaufzubauen. Ein Ehrenmal, das den Leichnam eines Frontsoldaten zeigt, erinnert an 97 Bewohner von Richebourg, die im Krieg getötet wurden. An der Außenmauer der Kirche wurde als Zeugnis der Zerstörung außerdem eine durch einen Granatsplitter verstümmelte Christusfigur angebracht.
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1917 und 1918 legten die Alliierten zwischen La Couture und den Dörfern im Hinterland der Front eine Verteidigungslinie mit befestigten Stellungen und Unterständen an. Diese wurde während der Vierten Flandernschlacht am 9. April 1918 von portugiesischen Soldaten unter Oberst Bento Roma verteidigt. Aus diesem Grund ließ die portugiesische Regierung hier ein Denkmal errichten, das am 10. November 1928 eingeweiht wurde. Es handelt sich um das Werk
des portugiesischen Künstlers Teixeira Lopes und zeigt eine Frau, als Sinnbild des Vaterlandes, die den Säbel des Helden der portugiesischen Unabhängigkeit, Nuiv’Alwarez, in der Hand hält. An ihrer Seite streckt ein portugiesischer Soldat Gevatter Tod vor der Ruine einer gotischen Kathedrale nieder.
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Mehr als 13.000 britische Soldaten, die 1914 und 1915 an der Front zwischen Givenchy und Neuve-Chapelle gefallen sind, gelten als verschollen. Ihnen ist die nach Plänen des Architekten Truelove gebaute und am 22. März 1930 eingeweihte Gedenkstätte Le Touret gewidmet. Eine überdachte Säulengalerie führt zu einem Innenhof mit den eingravierten Namen der Schlachten. Die erste Schlacht bei La Bassée vom10. Oktober bis 2. November 1914 stoppte den Durchbruch der Deutschen zum Meer und markierte den Beginn des Stellungskrieges. Bei den übrigen Schlachten handelte es sich um wichtige lokale Offensiven mit dem Ziel, die
Front zu durchbrechen oder von den Operationen der Franzosen 1915 im Artois abzulenken. Die Kämpfe in Neuve-Chapelle, Givenchy, Aubers, Festubert oder Cuinchy kosteten vielen Soldaten das Leben. Ab Oktober 1914 bis März 1915 war das Dorf Neuve -Chapelle Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen. Im Dezember 1914 und im Juni 1915 lieferten sich Briten und Deutsche in
Givenchy schreckliche Attacken und Gegenattacken. Cuinchy erlebte im Februar 1915 heftige Angriffe. Am 9. Mai lancierten die Briten in zwei Frontabschnitten die Schlacht von Aubers. Im südlichen Teil entlang der rue du bois in Richebourg erlitten die Soldaten des 2. Regiments Munster, dessen Geistlicher am Abend zuvor ein letztes Abendmahl abgehalten hatte, schwere Verluste. Die Kämpfe im Norden konzentrieren sich auf den Sektor zwischen Fromelles und Fleurbaix. Zwischen dem 15. und 25. Mai 1915 eroberten britische und kanadische Truppen während der Schlacht von Festubert unter großen Verlusten einen Teil des Frontabschnittes. Die Jahre 1916 und 1917 blieben in diesem Sektor dagegen verhältnismäßig ruhig.
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Das Denkmal für die 55. Division West Lancashire wurde am 15. Mai 1921 in Anwesenheit des Bürgermeisters von Liverpool und von Marschall Joffre eingeweiht. Die Rose symbolisiert die Grafschaft Lancashire. Das von Veteranen gestiftete Denkmal soll vor allem
an den Widerstand der Division in Givenchy während der deutschen
Offensive am 9. April 1918 erinnern.Während des gesamten Krieges war das Dorf Schauplatz schrecklicher Gefechte. Im Dezember konnten es die Deutschen einige Stunden lang erobern, bevor sie wieder von den Briten vertrieben wurden. 1915 und 1916 wütete hier der Minenkrieg. Das Denkmal, das 2010 neben dem anderen Denkmal errichtet wurde, erinnert an die größtenteils britischen Minengräber, die in diesem Frontabschnitt starben.
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Der Separatfrieden mit Russland ermöglichte es den Deutschen, im Frühjahr 1918 eine Großoffensive einzuleiten mit dem Ziel, die Front zu durchbrechen und einen Sieg zu erzwingen. Die in diesem Rahmen ab dem 9. April 1918 zwischen Givenchy und Bois-Grenier durchgeführte Operation Georgette löste die Vierte Flandernschlacht aus. Dabei gelang es der 6. deutschen Armee, dank heftigen Artilleriefeuers, dem Einsatz von Giftgas und besonders erfahrenen Sturmtruppen die alliierten Linien zu durchstoßen. Die 40. britische Division wurde aus Fleurbaix vertrieben, die 2. portugiesische Division aus Laventie. Am Abend des 9. April überschritten die Deutschen den Fluss Lys (dt. Leie) bei Bac-Saint-Maur. Am Folgetag wurden die Angriffziele in Richtung des Département Nord ausgedehnt und die Städte Armentières, Merville und Bailleul besetzt. Ende April kamdie Operation am Rande desWaldgebiets von Nieppe zum Stehen. Das
deutsche Heer richtete nun mehrere Soldatenfriedhöfe ein, vor allem in Laventie und Saillysur- la-Lys. Dort wurden die Gefallenen der Kämpfe des April sowie der Sommermonate 1918 beerdigt. Nach dem Ende des Krieges wurden die vielen kleinen verstreuten Grabstätten der Deutschen auf dem Soldatenfriedhof von Laventie zusammengeführt. Er umfasst 1978 Gräber. Einige der Grabkreuze tragen bis zu vier Namen von Gefallenen. Die Gedenkstätte wird vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterhalten.
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Vor der kompletten Zerstörung von Bailleul 1918 war der rechteckige Grand’ Place das Zentrum der Stadt. Zahlreiche Geschäfte hatten sich dort angesiedelt: Uhrmacher, Juwelier, Lebensmittelgeschäfte, Schuh- und Hutmacher, Samen- und Getreidehändler, Bäcker, Schneider, Friseur, Fotograf, Eisenwarenhandel, Spielzeuggeschäft ... sowie schätzungsweise zwanzig Cafés und Schenken vor dem Krieg.
Die aneinandergereihten, auf das Stadtzentrum konzentrierten Bürgervillen zeigten mit ihren weiß verputzten Fassaden durchbrochen von geraden, rechteckigen Fenstern, vornehmlich den klassischen Architekturstil des 18. Jahrhunderts. Ab März 1919 befasste sich die Gemeinde mit einem neuen Raumordnungsplan für die Stadt. Mehrere Projekte wurden vorgestellt, und am 25. März 1920 das von Louis-Marie Cordonnier präsentierte Projekt vom Gemeinderat angenommen: Es beruhte auf einem Erhalt der ursprünglichen Einteilung, mit Wiederaufbau der bedeutendsten Monumente und Verbreiterung der Straßen in Richtung des Grand’Place.
Die Architektur betreffend, so fiel die Wahl auf den neoflämischen Stil, inspiriert durch Bauwerke in Brügge. Dieser bei öffentlichen Gebäuden, Privathäusern und sogar diversen Fabrikfassaden angewandte Stil verlieh der Stadt ein vollkommen neues Gesicht.
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Vom 10. bis 13. Jahrhundert bildete sich eine neue Gesellschaftschicht heraus: das Bürgertum. Diese Händler und Unternehmer (vorwiegend Tuchmacher in Bailleul) forderten das Recht auf Selbstverwaltung. So wurden in den Gemeinden, denen der Graf von Flandern die Stadtrechte zugesprochen hatte, Belfriede errichtet. Der Belfried von Bailleul diente in Kriegszeiten außerdem als Beobachtungsposten zur Überwachung von Stadt und Umgebung und war Zeuge der sich wiederholenden Brände und Wiederaufbauten. An diese Funktion erinnert heute die Wetterfahne Melusine, die hoch oben auf dem Belfried thronend über die Stadt wacht.
Ende März 1918 riss eine deutsche Granate ein Loch in den Belfried und wenige Tage später zerstörten alliierte Batterien das ganze Gebäude, um deutsche Truppen zurückzuschlagen, die in die Stadt eingedrungen waren. Alleine die Mauern des heute denkmalgeschützten gotischen Saals aus dem 13. Jahrhundert blieben bestehen.
Nach dem Krieg wurde der Architekt Louis-Marie Cordonnier mit dem Wiederaufbau von Rathaus und Belfried beauftragt. Beide wurden 1932 eingeweiht und 2005 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.
Der Belfried von unten nach oben: Im Erdgeschoss der gotische Saal, auf der Höhe des Balkons das Büro des Bürgermeisters, darüber der Archivsaal, in dem früher die wertvollen Urkunden aufbewahrt wurden und schließlich, unter dem Wehrgang, die Uhren. Weiter oben das Glockenspiel mit seinen 35 Glocken, das jede Viertelstunde flämische Melodien spielt. Das bemerkenswerteste Element des Rathauses ist die Außentreppe mit der Loggia. Hier verkündeten die Vertreter des Magistrats Verordnungen oder wichtige Veranstaltungen. Etwas weiter oben in einer Nische steht die Statue von Notre-Dame de Foy, Beschützerin von Heim und Herd.
Über der Ehrentreppe befindet sich ein großes Glasfenster, das zu Öffnungszeiten des Rathauses besichtigt werden kann. Es zeigt die wirtschaftlichen Aktivitäten, die den Wohlstand der Stadt begründeten: Spitze, Töpferware, Leinenspinnerei, Wolltuchweberei sowie regionale Produkte wie Leinen, Weizen, Hopfen, Kartoffeln.
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Auf dem Platz der heutigen Wassertürme stand früher eine Jungenschule, die während des Krieges von der britischen Behörde beschlagnahmt und als Militärapotheke eingerichtet wurde. Eines dieser britischen Feldlazarette, n° 53 Casualty Clearing Station, quartierte sich im September 1915 dort ein.
Zu jener Zeit stand vor dieser Schule der öffentliche Springbrunnen. Er wurde 1844 angelegt, um das Quellwasser des Mont Noir (Schwarzer Berg) aufzufangen und so dem chronischen Wassermangel der Stadt entgegenzutreten. Acht Säulen versorgten die Einwohner mit ausreichend Wasser. Der erste Wasserturm wurde 1882 gegen den Giebel der Saint-Vaast-Kirche errichtet und 1918 bei der Bombardierung von Bailleul zerstört.
1921 wurde auf dem höchsten Punkt der Stadt ein neuer Wasserturm gebaut, um auch die mehrstöckigen Häuser mit Wasser versorgen zu können. Die Architekten sahen sich gezwungen, die Jungenschule zu versetzen. Der zweite Turm kam 1961 hinzu. Sein Wasser kommt aus den Hügeln des Artois, 40 km von Bailleul entfernt.
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Das Museum wurde 1861 dank des Vermächtnisses des reichen Sammlers Benoît De Puydt an seine Geburtsstadt ins Leben gerufen. Sein ganzes Leben lang sammelte dieser neugierige und passionierte Urkundsbeamter Kunstobjekte aus der flämischen Kultur vom 15. bis 19. Jahrhundert. Nachfolgende Schenkungen von Künstlern und Kunstliebhabern verstärkten den besonderen Charme dieses Museums.
Während des Ersten Weltkriegs blieb das Museum für das Militär und auserwählte Gäste geöffnet, die ihm nach dem Pariser Musée de Cluny den Beinamen „Le Petit Cluny“ gaben. Im März 1918 verlegten zwei Militärlastwagen einen kleinen Teil der Sammlungen in die Normandie. Das Museumsgebäude wurde vollständig zerstört. Nach Schätzungen sind 70 % der Werke verloren gegangen. Jedoch konnte die Sammlung unter Zuhilfenahme der Kriegsentschädigung wieder hergestellt werden.
Um die verloren gegangenen Gemälde wieder zum Leben zu erwecken, stellt das Museum Benoît-De-Puydt heute deren 1881 vom damaligen Konservator sorgfältig verfassten Beschreibungen auf Tafeln mit den ursprünglichen Abmessungen der Werke aus. So ist es der Fantasie eines jede Einzelnen überlassen, sich diese „Geistergemälde“ vorzustellen.
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Das Haus Nr. 30 des Historikers Ignace de Coussemacker (1842-1890) wurde während der Kriegszeit als Kultstätte genutzt. Es ist mit einem Votiv-Giebel verziert und trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Dieses Haus ist eines der wenigen Gebäude, die der Zerstörung unserer Stadt 1918 entkommen sind, gelobt sei das anbetungswürdige Herz Jesus Christi“. Seine Architektur unterscheidet sich von den Nachbarhäusern, die aus der Zeit des Wiederaufbaus stammen wie die Nr. 36, dessen ockerfarbene Back- und Natursteinfassade mit Voluten, Pinakeln, Muscheln und Giebel verziert ist.
Der Saal Marguerite Yourcenar, Nr. 3, wurde 1923 durch den Architekten René Dupire entworfen. Er diente der Pfarrgemeinde Saint-Vaast zunächst als provisorische Kirche, später als Gemeindesaal. Der Saal wurde 1940 durch Bombardierungen schwer beschädigt und nur mit begrenzten Mitteln restauriert. Trotz dieser Verluste blieb die Architektur von herausragender Qualität: Die mittelalterlichen flämischen Merkmale sind präzise und durchdacht. Die Eingänge sind mit Tudorbögen versehen.
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Vor dem Krieg war diese Kirche eine hallekerk: Eine Hallenkirche mit drei gleich hohen und breiten, durch Säulen getrennte Schiffe - ein Stil, der ab dem 15. Jahrhundert in Flandern sehr beliebt war. Zu jener Zeit befand sich der öffentliche Garten, Treffpunkt der lokalen Bevölkerung, hinter der Kirche.
Während des Wiederaufbaus mussten die Bauarbeiten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten von 1926 bis 1930 unterbrochen werden: Kostenvoranschläge wurden halbiert und die Ambitionen der Architekten Louis-Marie und Louis-Stanislas Cordonnier überarbeitet. Jedoch war die Qualität der Baumaterialen für dieses neuromanisch-byzantinische Gebäude in eklektischem Baustil von größter Bedeutung: romanische Kunst in den Tympana, dem Turm, dem Chorhaupt, der Kanzel und dem Hauptaltar, Art déco im Orgelprospekt, ägyptische Kunst in den Kapitellen und Beichtstühlen sowie Mosaikkunst aus Ravenna.
Lucien Detrez erstellte das von Camille Deberdt für Skulpturen und von Charles Hollart für Glasfenster ausgeführte ikonografische Programm. Die Fenster im Chorumgang erzählen die Geschichte von Bailleul, das Querhaus die der Heiligen von Flandern. Die Apsiskapelle ist dem heiligen Antonius dem Großen gewidmet. Dieser Heilige wurde in Bailleul als Schutzheiliger und Wunderheiler verehrt.
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Diese beiden Häuser sind das Werk des Architekten Jacques Barbotin. Das Haus Nr. 4 lehnt sich an ein altes Haus in Brügge an. Es ist eines der eindruckvollsten des Wiederaufbaus. Seine dreigeteilte Fassade erstreckt sich über knapp 17 Meter. Der Zentralgiebel unterstreicht die Symmetrieachse. Die Verzierung ist von hochwertiger Qualität mit reichlich Motiven: getäfelte Tür, Umrahmung mit vorspringenden Schlusssteinen, barocke Aufschrift, Balkongeländer, Votivnische, Dachfenster mit Kuppellaternen…
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Das Kriegerdenkmal steht auf dem Platz der ehemaligen Kirche Saint-Amand, einer Jesuitenkapelle aus dem 17. Jahrhundert. Das Denkmal erinnert an die Vernichtung der Stadt, an militärische und zivile Opfer sowie an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870. Der Architekt Barbotin errichtete das Denkmal mit Materialien aus den Ruinen der bedeutenden Bauwerke der Stadt (Belfried, Kirchen Saint-Vaast und Saint-Amand). Eine lebenskräftige, geflügelte Siegesgöttin steigt aus dieser Szene der Verzweiflung empor (Bildhauer Camille Debert).
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Die 1925 errichtete Schule ist dem Unterricht des Spitzenklöppelns gewidmet. Gelber Backstein, Treppengiebel, rautenförmige Fenster, Ankereisen, ausladendes Dach und Rahmenwerk verleihen dem Gebäude einen bemerkenswerten neoflämischen Charakter.
Ein Wappenschild aus Naturstein auf der Fassade zeigt eine junge Spitzenklöpplerin bei der Arbeit mit einem Spulrad für Klöppel. Die Aufschrift „Le Retour au Foyer“ bezieht sich auf den Verein, der das Spitzenklöppeln zu neuem Leben erweckte. Einer der Mäzene war der amerikanische Anwalt und Philantrop William Nelson Cromwell (Büste).
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1713 bestätigte der Friede von Utrecht die Angliederung von Ypern und seiner Burggrafschaft an das Haus Österreich, was die Verlegung von Vogtei und Präsidialgericht, dem Gerichtshof für das gesamte „Französisch-Flandern entlang der Küste“ nach Bailleul zur Folge hatte. Das 1776-1777 im Stil des französischen Klassizismus errichtete Gebäude ist das einzige öffentliche Gebäude in Bailleul, das der totalen Zerstörung entkam. 1920 wurden die beiden rechten während des Krieges beschädigten Felder sowie das Dach restauriert.
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Dieses Denkmal wurde auf Ansuchen des Londoner War Office errichtet, zum Andenken an die 25. britische Division, die zwischen 1915 und 1918 unter großen Verlusten dazu beitrug, die Front an den Monts de Flandre zu halten. Auf den Seiten des Denkmals stehen die Namen der Einheiten der Division und der Feldschlachten, an denen sie teilgenommen hatte, in Gedenken an die 13 290 dort gefallenen Männer. Ebenfalls zu sehen, die Wappen Großbritanniens und Bailleuils, Träger des Kriegskreuzes, das der Stadt am 7. Juni 1921 anlässlich der Einweihung des Denkmals verliehen wurde.
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Der öffentliche Garten verdankt seinen Namen Jean Plichon, Abgeordneter des Departements Nord ab 1888. Sein Haus in der Rue Saint-Jacques Nr. 8 wurde während der deutschen Offensive 1918 zerstört. Nach dem Krieg schenkte er das Gelände der Gemeinde, um einen öffentlichen Garten anzulegen. In seiner Einweihungsrede erklärte er, dass die Stadt Bailleul ihren Ruf als „Gartenstadt“ redlich verdient hätte. Heutzutage nennt man sie eher „eine Stadt auf dem Land“.
Die frühere Mädchenschule, heute Kindergarten und Grundschule, wurde 1923 von dem Architekten René Dupire gebaut. Gelbe Backsteine, eine Fassade rund um ein reichlich verziertes Zentralgebäude und ein durchbrochener Giebel. Die zahlreichen Fenster tauchen die Klassen in direktes helles Licht. Das Schieferdach verfügt über 22 ebenfalls schiefergedeckte Dachfenster.
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Das Gebäude des Architekten René Dupire wurde schon 1926 bei seiner Fertigstellung als einer der größten Erfolge des Wiederaufbaus bezeichnet. Es steht auf dem Platz, wo vor 1914 Mädchenschule und Internat Les Dames de Saint-Maur standen. Bei ihrem Bau bestand die Jungenschule aus vier unabhängigen Gebäuden rund um einen Garten: Schulgebäude, Badehaus und zwei Wohnhäuser.
Das Schulgebäude mit der monumentalen 45 m langen Fassade liegt von der Straße zurückversetzt. Durch ein Licht- und Schattenspiel kommt der gelbe Backstein schön zur Geltung.
Der vorgerückte zentrale Teil ist mit dem Badehaus verbunden, in dem sich heute die Mediathek der Stadt befindet. Das Badehaus war sowohl den Schülern als auch den Einwohnern der Stadt zugänglich, die selbst über kein eigenes Bad verfügten. Diese Maßnahme unterstreicht das modernistische Bestreben der Gemeinde zu jener Zeit, den Wiederaufbau zur Verbesserung der Volkshygiene zu nutzen.
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Der Bailleul Communal Cemetery wurde im Oktober 1914 in der Nähe des Gemeindefriedhofes angelegt, um britischen, französischen und deutschen gefallenen Soldaten eine letzte Ruhestätte zu geben.
Aufgrund der aufeinanderfolgenden Schlachten bei Ypern musste die Krankenhausstadt Bailleul zahlreiche Verwundete versorgen. Ende 1915 wurde dieser erste Militärfriedhof erweitert und auf dem Gelände mehr als 4 500 Kriegsopfer beigesetzt, meist Briten oder Soldaten aus Ländern des Britischen Weltreichs wie Australien, Neuseeland, Kanada und Indien.
Nach dem Waffenstillstand 1918 wurden die Gräber der kleinen Soldatenfriedhöfe rund um Bailleul auf diesen Communal Cemetery Extension verlegt und die Holzkreuze durch weiße Stelen ersetzt.
An der südöstlichen Seite des Friedhofs umgeben zwei imposante Kapellen, die griechischen Tempeln ähneln, den Gedenkstein mit der Aufschrift: Ihre Namen bleiben auf ewig (Their name liveth for ever more). Ein dritter britischer Friedhof Outtersteene Communal Cemetery Extension mit 1 397 Gräbern liegt in einem Weiler von Bailleul.
Heutzutage arbeiten viele Gärtner der Commonwealth War Graves Commission das ganze Jahr über an der Unterhaltung dieser von Frühling bis Herbst beblumten Friedhöfen.
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