In jedem Gebiet gibt es Orte, die Schauplatz von Kämpfen in den beiden Weltkriegen waren. Diese Orte zeugen noch heute von dem Kriegsgeschehen und halten die Erinnerung an die Erlebnisse der beteiligten Soldaten wach. Damit jeder Besucher diese Erinnerungsorte auf seine eigene Weise erkunden kann, kommen zu den regionalen „Wegen der Erinnerung“ nun auch lokale Wanderrouten hinzu. Jede Tour wurde thematisch angelegt, wobei mehrere Etappen miteinander verbunden wurden. Die Rundwege können über einen kleinen, illustrierten Geschichtsführer mithilfe eines mobilen Datenterminals abgerufen oder direkt aufs Handy heruntergeladen werden. So werden dem Besucher eine Region und ihr geschichtliches Erbe auf originelle Weise vermittelt und die menschliche Tragweite der Konflikte deutlich gemacht.
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Keiner der Kriegsgegner konnte im Herbst 1914 die Oberhand gewinnen. Nach und nach zeichnet sich ein Frontverlauf von den Vogesen bis zur Nordsee ab. Während dieses Zeitraums, der auch als „Wettlauf zum Meer“ bezeichnet wird, gelang es den Deutschen, alle für sie erreichbaren Höhenlagen am Rande der von ihnen eroberten Gebiete zu besetzen.
Die auf der 15 bis 20 Meter hohen Bodenwelle von Les Weppes gelegene Kirche von Fromelles diente den Deutschen als strategisch wichtiger Beobachtungsposten. Vom Glockenturm aus hatte man eine gute Sicht auf die Leie-Ebene von den Monts de Flandre bis zum Kohlebecken des Pas-de-Calais. Folglich nahmen die Alliierten die Kirche frühzeitig mit ihrer Artillerie ins Visier. Im Frühjahr 1916 war sie bereits gänzlich zerstört. Auf dem Fundament der alten Kirche wurde eine neue im neoromanischen Stil errichtet und 1924 geweiht.
Photos credits: Collection Jean-Marie Bailleul
Als das Kriegsgeschehen auf einen Stellungskrieg hinauslief, entwickelte jede Armee Strategien zur Verteidigung ihrer Stellungen. Ab 1915 errichteten Pioniere des deutschen Heeres entlang der Front eine Reihe von oft hintereinander gestaffelten Betonbunkerbauten mit unterschiedlichen Funktionen.
Noch heute findet man einige davon im Sektor von Les Weppes, darunter auch den Bunker von Abbiette, ein Kommandobunker, der einen Kilometer hinter der Frontlinie errichtet wurde. Ein Schild am Parados des zentralen Schützengrabens gibt an, dass der Bunker von der 13. bayerischen Pionier-Kompanie errichtet wurde, die zur 6. Division der deutschen Armee gehörte. Eine Geschützbank erlaubte es, das Bunkerdach als Deckung zu nutzen. Historische Quellen belegen, dass der Gefreite Adolf Hitler zwischen März 1915 und September 1916 dort als Meldegänger des 16. Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments diente und Befehle des Regimentsstabes, der in Wavrin stationiert war, übermittelte. 1940 stattete er dem Bunker wieder einen Besuch ab.
Photos credits: Collection Jean-Marie Bailleul / Jean-Marie Bailleul
Am 9. Mai 1915 fiel Hauptmann Paul Adrian Kennedy während der Schlacht um die Anhöhe von Aubers einem deutschen Scharfschützen zum Opfer, als seine Kompanie im Sektor „Les Rouges Bancs“ bei Fromelles vorrückte. Im Sterben fordert er seine Kameraden auf, ihn zurückzulassen. Bis heute blieben seine Überreste verschollen. Seine Mutter, Lady E. A. Wilbraham, die drei ihrer vier Söhne im Ersten Weltkrieg verlor, erwarb nach dem Krieg das Stück Land, auf dem Paul Kennedy zurückgelassen worden war. Dort ließ sie ein Kruzifix errichten, das 1922 zum Andenken an ihren Sohn geweiht wurde. Die Christusfigur des ursprünglichen Kruzifix wird heute im Chor der Kirche von Fromelles aufbewahrt.
Photos credits: Collection C. Heddy – Kennedy
Die Schlacht von Fromelles war als Entlastungsangriff für die Schlacht an der Somme geplant, die seit dem 1. Juli 1916 im Gange war. Beim Angriff am 19. Juli 1916 kamen zum ersten Mal australische Truppen an der Westfront zum Einsatz. Für sie wurde die Schlacht zu einer der verlustreichsten des Ersten Weltkriegs.
Am 19. Juli bereitete die Artillerie der Alliierten ab 11 Uhr den Angriff mit einem Trommelfeuer vor. Ab 18 Uhr rückten die 5. australische Division und die 61. britische Division auf einer 4 Kilometer breiten Front vor. Ziel war die Einnahme des Sugar Loaf (Zuckerhut), einer wichtigen Stellung der Deutschen gegenüber des Weilers Les Rouges Bancs bei Fromelles. Mehrtägiger Regen hatte das Gelände völlig aufgeweicht. Die Soldaten waren dem Maschinengewehrfeuer der Deutschen ausgesetzt, die sich vor der Artillerie in betonierten Unterständen verschanzt hatten – einige davon sind auf dem Gelände der Gedenkstätte zu besichtigen. An der Nordflanke durchbrachen die Australier die erste Verteidigungslinie der Deutschen, konnten sie trotz massivem Kampfeinsatz jedoch nicht halten. Die Operation wurde am Folgetag gegen 9 Uhr erfolglos und ohne Geländegewinne abgebrochen. Die Alliierten hatten schwere Verluste erlitten. Mehr als 1.500 Soldaten der 61. Division waren gefallen. Die Australier trauerten um mehr als 5.500 Gefallene, Verletzte und Verschollene. Auf deutscher Seite waren 1.600 Angehörige der bayerischen Division gefallen.
Obwohl keine Gefechtspause verabredet worden war, bargen australische Soldaten in den folgenden drei Tagen verletzte Kameraden aus dem Niemandsland. Die Statue in der Mitte der Gedenkstätte verkörpert diese Geste der Hilfsbereitschaft. Das Werk des Bildhauers Peter Corlett trägt den Titel „Cobbers“, was „Freund“ oder „Kumpel“ bedeutet, und wurde 1998 eingeweiht. Eine Replik steht im Garten des Shrine of Remembrance in Melbourne.
Photos credits: National Collection of the Australian War Memorial / National Collection of the Australian War Memorial / A.S. Flament
Alle von den Briten ausgehenden Kampfhandlungen im Vorfeld der Schlacht von Fromelles waren kurz und intensiv ausgefallen. Einigen Soldaten wurde für ihr besonderes Engagement während dieser Gefechte das Victoria Cross (V.C.) verliehen, die höchste Auszeichnung der britischen Armee. Darauf bezieht sich der Name des Friedhofs, V.C. Corner, wörtlich „Victoria-Cross-Ecke“.
Es handelt sich um die einzige Begräbnisstätte in Frankreich, die ausschließlich Australiern vorbehalten ist. In zwei Gemeinschaftsgräbern, die ein großes weißes Holzkreuz ziert, sind 410 australische Soldaten bestattet, die nach der Schlacht von Fromelles geborgen, nicht jedoch identifiziert werden konnten. Eine Wandtafel gegenüber dem Eingang verzeichnet die Namen der 1.299 Australier, die nach der Schlacht vom 19. und 20. Juli 1916 als vermisst galten. Einige von ihnen konnte man identifizieren, nachdem man im Jahr 2009 Massengräber im Fasanenwald untersucht hatte.
Photos credits: A.S. Flament
Der vom Architekten Sir Herbert Baker gestaltete Friedhof in der Gemeinde Fleurbaix gilt als eine der schönsten Gedenkstätten an der ehemaligen Front des Ersten Weltkriegs. Wie der Name unterstreicht, grenzt er an einen früheren Sanitätsposten in der zweiten Linie der britischen Schützengräben – an einer Stelle, die von den Einheimischen „Le Trou“, das Loch, genannt wurde. Dort ruhen 351 Angehörige der britischen Armee, die in verschiedenen Gefechten in diesem Frontabschnitt gefallen waren: Le Maisnil (Oktober 1914), die Schlacht um die Anhöhe von Aubers (9.-10. Mai 1915), die Schlacht von Loos (15. September bis 14. Oktober 1915) sowie die Schlacht von Fromelles (19.-20. Juli 1916). Nur 149 der Opfer konnten identifiziert werden.
Photos credits: A.S. Flament
Hinter dem Eingangsportal präsentiert sich der Soldatenfriedhof Rue-Petillon in Fleurbaix wie ein sorgsam gepflegter Garten. Hier ruhen neben mehr als 1.500 Gefallenen des gesamten Empire auch einige Deutsche. Wie der Le Trou Aid Post Cemetery ganz in der Nähe ist der Friedhof bei einem ehemaligen Sanitätsposten in der zweiten Linie der britischen Schützengräben angesiedelt. Die Ruine, die den Posten beherbergte, tauften die Soldaten ironischerweise Eaton Hall, nach dem Landhaus des Herzogs von Westminster. Beim Betreten dieser Gedenkstätte fallen dem Besucher gleich die aneinandergereihten Gräber der 30 australischen Soldaten auf, die am 15. Juli 1916 einem Überfall der Deutschen zum Opfer fielen.
Photos credits: O. Delory
Im Zuge voneinander unabhängiger Recherchen französischer und australischer Historiker gab die australische Regierung in den Jahren 2007 und 2008 Ausgrabungen am Rande eines Waldes in Auftrag, den die Deutschen im Ersten Weltkrieg als „Fasanenwald“ („Bois des Faisans“ auf Französisch) bezeichneten. Dabei wurden fünf Massengräber gefunden, die deutsche Soldaten nach der Schlacht von Fromelles angelegt hatten.
Im Jahr 2009 wurde beschlossen, die sterblichen Überreste der Soldaten zu exhumieren und DNA-Vergleiche vorzunehmen, um die Opfer des Ersten Weltkriegs zu identifizieren. Nachdem die Gräber minutiös von Archäologen, Anthropologen, Gerichtsmedizinern und Militärhistorikern untersucht worden waren, konnten die Überreste von insgesamt 250 Leichen geborgen und auf dem neuen Pheasant Wood Military Cemetery bestattet werden.
Die bei den Ausgrabungsarbeiten gewonnenen Daten bilden die Basis für ein Forschungsprogramm, das bis zum Jahr 2014 läuft und dazu dient, die Identifikation der Gefallenen abzuschließen. Die anthropomorphischen Daten werden mit den Soldbüchern der als vermisst Gemeldeten verglichen. Außerdem werden DNA-Vergleiche mit Nachkommen Vermisster aus Großbritannien und Australien vorgenommen.
Photos credits: Image courtesy of the Commonwealth War Graves Commission / Collection Jean-Marie Bailleul
Das Opferkreuz erhebt sich hoch über die Grabstelen, die gemeinsam eine sechseckige Fläche bilden. Es ist auf einem leicht hügeligen Terrain unweit der Kirche gegenüber der Frontseite des Gotteshauses errichtet worden. Jede einzelne der 250 gefundenen Leichen aus den Massengräbern des Fasanenwaldes wurde dort von britischen und australischen Militärs mit allen Ehren bestattet. Der Pheasant Wood Military Cemetery ist der erste neue Soldatenfriedhof des Commonwealth seit den 1960er-Jahren. In Anwesenheit von wichtigen politischen und militärischen Persönlichkeiten aus Frankreich, Großbritannien und Australien wurde er am 19. Juli 2010 eingeweiht. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten 94 Gefallene identifiziert werden. Im Laufe des Identifizierungsprogramms werden weitere Stelen, auf denen „Known unto God“ (nur Gott bekannt) steht, durch Namensstelen ersetzt.
Photos credits: G. Funk / E. Roose
Das Museum von Fromelles zeigt die Sammlung des Vereins ,,Fromelles et Weppes, terre de mémoire 14-18" und auch von der australischen Regierung geliehenen Ausgrabungstücke. Die Geschichte der Schlacht und die Schicksale einzelner Soldaten können hier nachvollzogen werden. Im Museum, das sich zum neuen Soldatenfriedhof Pheasant Wood hin öffnet, erfährt man auch Interessantes über die Ausgrabungen und das Identifizierungsprogramm für die Opfer des Ersten Weltkriegs, deren sterbliche Überreste hier 92 Jahre nach der Schlacht von Fromelles entdeckt wurden.
Photos credits: Collection Martial Delebarre