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Die Luftbildfotografie spielte zwischen 1914 und 1918 eine wichtige Rolle in einem Krieg, der von der Artillerie dominiert wurde. Wollte man ihre Schlagkraft wirkungsvoll nutzen, musste man die Stellung des Feindes so genau wie möglich kennen.
Nur wenige Generäle erkannten zu Kriegsbeginn die Bedeutung von Aufklärungsflügen. Im einsetzenden Stellungskrieg verstärkte die Artillerie jedoch kontinuierlich ihre Feuerkraft und die Kenntnis über Lage und Beschaffenheit der gegnerischen Stellungen wurde zu einer wesentlichen Voraussetzung für die genaue Ausrichtung des Beschusses. Gleichzeitig verbesserte sich die Genauigkeit und Feuergeschwindigkeit der Kanonen ebenso wie ihre Schussweite und die Sprengkraft der Geschosse.
Zu Beginn des Krieges setzten die Deutschen Beobachtungsballons ein, die ihnen in den ersten Kämpfen einen taktischen Vorteil verschafften. Im Gegenzug setzten Franzosen und Briten bald erste Aufklärungsflugzeuge ein, die wertvolle Informationen über die feindlichen Stellungen sammelten. So ersparte etwa die Kenntnis der deutschen Truppenbewegungen hinter der Front dem britischen Expeditionskorps am 22. August 1914 bei der Schlacht von Mons ein Debakel. Am 3. September 1914 beobachteten französische Flieger darüber hinaus, dass die deutschen Truppen unter Alexander von Kluck ihre Marschrichtung änderten und nun auf Paris zuhielten. Das wiederum führte zu der Entscheidung für die Gegenoffensive an der Marne. Die ersten Aufklärungsfotos der Front machten die Briten am 15. September 1914 über den deutschen Linien. Bis zu diesem Zeitpunkt verließ man sich auf die Aussagen der Piloten.
Mit dem Grabenkrieg im Jahr 1915 wurde eine umfassende Flugaufklärung immer notwendiger. Die Armeeführungen betrauten darauf spezialisierte und mit besonderen Aufnahmegeräten ausgestattete Einheiten mit dieser Aufgabe. Mit Hilfe der Aufnahmen von den feindlichen Linien sollten exakte Karten der Gräben im Maßstab 1:10.000 erstellt werden. Die kartografischen Informationen wurden im Laufe des Jahres 1916 immer wichtiger, vor allem bei den Vorbereitungen der Schlacht an der Somme. In der zweiten Phase des Krieges waren die Kriegführenden in der Lage, bei klarem Wetter tagesaktuelle Karten der gesamten Front anzufertigen.
Die Bedeutung und Entwicklung der Feindaufklärung aus der Luft gipfelte im Ringen nach der Lufthoheit: Die logische Antwort auf die Aufklärungsflieger war der Einsatz von Jagdflugzeugen, um die feindlichen Maschinen auszuschalten oder die eigenen Aufklärer zu schützen.
Die Fotografien ermöglichten nicht nur die Anfertigung detaillierter Karten der Front, sondern auch eine genaue Darstellung des Reliefs. Vergrößerungen und die immer exaktere Fotoanalyse führten zu immer besseren Ergebnissen – und immer mehr Bildern: 1918 schoss und entwickelte die französische Armee jeden Tag zehntausende Luftbilder.
Yves LE MANER
Direktor von La Coupole
Zentrum für Geschichte und Erinnerung im Nord-Pas de Calais