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Trotz aller Schrecken und grauenhaften Gemetzeln des Krieges, gab es auch menschliche Episoden. Etwa die spontanen Waffenruhen, zu denen es Weihnachten 1914 an verschiedenen Frontabschnitten zwischen den deutschen und alliierten Truppen kam.
Die britische Armee, die die Front von Ypern bis zum La Bassée-Kanal hielt, bestand Ende Dezember 1914 aus den Resten der Einheiten, die bei der Ersten Flandernschlacht im November von den Deutschen überrollt worden waren. Die Lebensbedingungen in den einfachen Schützengräben wurden mit der Winterkälte und dem überschwemmenden Regen unerträglich.
Das Niemandslands war an diesem Frontabschnitt nur einige Dutzend Meter breit. Das führte zu einer ungewohnten Nähe zwischen den Feinden: Man sah sich zwar nicht, konnte aber den Gegner hören und manchmal sogar dessen Küchendünste riechen. Beide Seiten waren im ersten Kriegswinter den gleichen, extrem rauen Bedingungen ausgesetzt. Das führte zu gegenseitigem Respekt, hinderte die Scharfschützen jedoch nicht daran, jedem, der seinen Kopf über die Brustwehr hob, sofort eine Kugel zu verpassen.
Die kurzen, aber heftigen Angriffe bei Ypern und in Französisch-Flandern im Dezember 1914 führten an einigen Abschnitten zu spontanen Waffenruhen, vor allem, um die Verletzten und Toten einzusammeln, die sich auf dem Niemandsland befanden. Am 24. Dezember stellten die Deutschen an vielen Stellen der ersten Frontlinie Weihnachtsbäume auf den Brustwehren auf, die mit Kerzen und Papierlaternen geschmückt waren. Nach und nach erklangen in beiden Lagern Weihnachtslieder und es kam zu Gesprächen zwischen den Feinden. An einigen Stellen verließen die Soldaten die Gräben, um auf dem Niemandsland ihre Toten einzusammeln. Am ersten Weihnachtstag häuften sich diese Szenen. In einigen Fällen bestatteten beide Lager gleichzeitig ihre Toten. Manchmal wurden sogar kleinere Geschenke und Adressen ausgetauscht.
Im britischen Frontabschnitt wurde ein solcher spontaner Waffenstillstand bei Einheiten in Houplines, Bois-Grenier, Fromelles, Neuve-Chapelle und Richebourg-L'Avoué beobachtet. Zu ähnlichen Fällen kam es an der französischen Front um Arras. An anderen Frontabschnitten dauerten die Kämpfe jedoch an, vor allem wegen der weiterhin aktiven Scharfschützen.
[Bibliographie: Malcolm Brown und Shirley Seaton: „Christmas Truce”]
Yves Le Maner
Direktor von La Coupole
Zentrum für Geschichte und Erinnerung im Nord-Pas de Calai