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Nach dem Waffenstillstand verliehen die vielen Ruinenfelder, tausende von Geschosskratern und Minentrichtern, unzählige Stacheldrahtnetze und Kommunikationsgräben den Schlachtfeldern entlang der ehemaligen Frontlinie ein apokalyptisches Erscheinungsbild. 1919 gab es im Pas de Calais 26.409 Hektar Land, die als „Rote Zone“ klassifiziert wurden. Allein zum Arrondissement Arras gehörten davon 20.500 Hektar. Vor jeder Wiederinbesitznahme der Böden mussten zunächst Aufräumarbeiten vorgenommen werden. Diese wurden von Militärs, Kriegsgefangenen, aber auch von Zivilisten ausgeführt. Blindgänger wurden entfernt und Überreste gefallener Soldaten exhumiert und auf den nahen Militärfriedhöfen beigesetzt. Trümmer sowie die Massen an Materialien, die von den Armeen zur Befestigung ihrer Linien verwendet wurden, mussten abtransportiert werden. Allein die Bergung der Stacheldrahtnetze war praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, das Jahre in Anspruch nahm. Im Mai 1922 warteten im Pas de Calais immer noch 716.430 Kubikmeter Stacheldraht gestapelt am Straßenrand auf ihren Abtransport.
Nach diesen ersten Sanierungsarbeiten wurden die Ruinen abgetragen und vor allem die als landwirtschaftlich nutzbare Flächen lebensnotwendigen Böden wieder urbar gemacht. Für diese kolossale Aufgabe standen nur unzureichende mechanische Mittel zur Verfügung. Entsprechend lange dauerte der Prozess: 1922 waren die Erdarbeiten in mehreren Kommunen des Kantons Vichy immer noch nicht abgeschlossen, in Souchez wurden sie erst im Sommer 1923 fertiggestellt. In jedem zerstörten Ort wurde eine kommunale Kommission für den Wiederaufbau gebildet. Sie sprach sich meistens für eine Wiederherstellung der Parzellengrenzen aus, wie sie vor dem Krieg bestanden. Die Verwaltung hingegen empfahl eine grundlegende Flurbereinigung. Ingenieure machten sich daran, die ehemaligen Schlachtfelder zu vermessen, um den Kataster der verwüsteten Kommunen wiederherzustellen.
Die Kampfhandlungen hatten sich auf ländliche Gebiete konzentriert und vor allem die Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Die Abteilungen des Ministeriums für Wiederaufbau ließen nach dem Krieg eine Kartographie der zerstörten landwirtschaftlichen Flächen anfertigen. Im Kanton Vimy konnten nur 16% der Böden sofort wieder bewirtschaftet werden. 44,5% erforderten leichte bis umfangreichere Sanierungsarbeiten, für 36,5% wurde eine endgültige Aufgabe zugunsten einer Bewaldung empfohlen. In den am meisten zerstörten Kommunen fielen die Statistiken noch deutlicher aus: 1919 waren in Thélus 70%, im Gebiet von Neuville-St-Vaast 37% der landwirtschaftlichen Böden als nicht mehr nutzbar registriert. Dennoch wurden fast sämtliche Äcker des Artois in einem Zeitraum von zehn Jahren wieder urbar gemacht, was vor allem den Bauern selbst zu verdanken war. 1922 würdigte der Präfekt Clausel vor den Mitgliedern des Regionalrates die „bewundernswerten Bemühungen der Landbevölkerung des Artois (...) um die Rekultivierung dieses einst so fruchtbaren Gebiets, das der Krieg ins Chaos gestürzt hat und das zur Sterilität verdammt zu sein schien."
Ab 1919 und 1920 wurde die 1918 begonnene Wiederansiedlung der Bauern der zerstörten Kommunen beschleunigt. Es dauerte jedoch noch bis zu den Jahren 1923 und 1924 bis der größte Teil der landwirtschaftlichen Flächen (86% in Carency und 89% in Souchez) wiederhergestellt war. 1927 war die „Rote Zone“ im Pas de Calais dank der erfolgreichen Sanierungsarbeiten auf 484 Hektar geschrumpft. Sie konzentrierte sich auf die fünf Kommunen Souchez, Vimy, Givenchy-en-Gohelle, Thélus und Neuville-St-Vaast, die während des Kriegs im Zentrum der Offensiven im Artois lagen.
Yann HODICQ,
Mitglied der Kommission für Geschichte und Archäologie
des Departements Pas de Calais
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Jahr |
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1919 | 26.409 | ||
1921 | 2.131 | ||
1922 | 484 |
Die Verteilung der „ROTEN ZONE“ auf die Kantone des Pas de Calais
im Jahr 1919